Neuromancer-Trilogie
Scheinwerfer wieder an. Diesmal wanderte er hin und her und suchte das Dunkel ab. Terzibashjian lehnte an einer Stahltür, das Gesicht kreidebleich im grellen Licht. Er hielt sich das linke Handgelenk und starrte auf das Blut, das aus einer Wunde an seiner linken Hand tropfte. Der blonde Mann zu seinen Füßen war wieder heil; an seinem Körper war kein Tropfen Blut zu sehen.
Ganz in Schwarz gekleidet, trat Molly aus der Dunkelheit hervor. Sie hielt die Flechette in der Hand.
»Ruft Mahmut über Funk her!«, sagte der Armenier mit zusammengebissenen Zähnen. »Wir müssen ihn wegschaffen. Ist nicht gut hier.«
»Der kleine Pisser hätt’s fast geschafft«, sagte der Finne. Seine Knie knacksten laut, als er aufstand. Er wischte sich erfolglos die Hosenbeine ab. »Hast nur Augen für die Horrorshow gehabt und gar nicht mehr auf das Hackfleisch am Boden geachtet, was? Echt spitze. So, hilf ihnen, den Arsch wegzuschaffen! Ich muss sein ganzes Innenleben scannen, bevor er aufwacht, damit Armitage auch was für sein Geld kriegt.«
Molly bückte sich und hob etwas auf. Eine Pistole. »Eine Nambu«, sagte sie. »Hübsche Knarre.«
Terzibashjian wimmerte. Case sah, dass es ihm fast den ganzen Mittelfinger abgerissen hatte.
Das blaue Licht der ersten Morgendämmerung lag über der Stadt, als Molly den Mercedes anwies, sie zum Topkapi zu bringen. Der Finne und ein riesiger Türke namens Mahmut hatten den noch immer bewusstlosen Riviera aus der Gasse geschleppt. Wenige Minuten später war ein staubiger Citroën angekommen, um den Armenier abzuholen, der einer Ohnmacht nahe schien.
»Du bist’n Arschloch«, sagte Molly zu ihm, während sie ihm die Wagentür aufhielt. »Hättest in Deckung bleiben sollen. Ich hab ihn sofort gesehn, als er aus der Tür kam.« Terzibashjian funkelte sie an. »Aber wir sind sowieso fertig mit dir.« Sie schob ihn hinein und knallte die Tür zu. »Wenn du mir noch mal unter die Augen kommst, mach ich dich kalt«, sagte sie in das kreidebleiche Gesicht hinter der getönten Scheibe. Der Citroën rollte durch die Gasse davon und bog schwerfällig auf die Straße ein.
Jetzt huschte der Mercedes durch das erwachende Istanbul. Sie passierten die Tünel -Station in Beyoglu und jagten an einem Labyrinth menschenleerer Nebenstraßen mit heruntergekommenen Apartmenthäusern vorbei, die Case vage an Paris erinnerten.
»Was ist das denn?«, fragte er Molly, als der Mercedes am Rand des Parks um das Serail herum anhielt. Mit gelangweilter Miene betrachtete er das bizarre Konglomerat verschiedener Baustile, das sich Topkapi nannte.
»War’ne Art Privatpuff für den Sultan«, sagte sie, während sie ausstieg und sich streckte. »Der hat sich da’ne Menge Frauen gehalten. Jetzt isses’n Museum, so ähnlich wie der Laden des Finnen. Liegt alles mögliche Zeugs drin rum – große Diamanten, Schwerter, die linke Hand von Johannes dem Täufer …«
»In’ner Nährlösung oder wie?«
»Nee. Tot. Steckt in’ner handförmigen Messinghülle mit’ner Klappe dran, damit die Christen sie küssen konnten. Als Glücksbringer. Das Ding haben sie den Christen vor’ner Ewigkeit abgejagt und stauben es nicht mal ab, weil’s’ne Reliquie der Ungläubigen ist.«
Schwarze eherne Hirsche rosteten im Park des Serails vor sich hin. Case ging neben Molly her und beobachtete, wie ihre Stiefelspitzen das ungepflegte Gras niedertraten, das im ersten Frost hart geworden war. Sie spazierten neben einem Weg aus kalten, achteckigen Steinplatten entlang. Der Winter wartete irgendwo im Balkan auf seinen Einzug.
»Dieser Terzi ist’n Kotzbrocken allererster Güte«, sagte sie. »Geheimpolizist. Folterknecht. Kein Problem, ihn zu kaufen mit dem Geld, das Armitage ihm geboten hat.« In den nassen Bäumen ringsum begannen Vögel zu zwitschern.
»Den Job in London hab ich für dich erledigt«, sagte Case. »Hab zwar was rausgekriegt, kann aber nicht viel damit anfangen.« Er erzählte ihr die Corto-Story.
»Ich wusste, dass bei Screaming Fist kein Armitage dabei war. Hab nachgesehn.« Sie strich über die rostige Flanke einer ehernen Hirschkuh. »Meinste, der kleine Computer hat ihn da rausgeholt? In der französischen Nervenklinik?«
»Wintermute? Ja, ich glaub schon.«
Sie nickte.
»Glaubst du, er weiß, dass er früher mal Corto gewesen ist?«, fragte Case. »Ich meine, er war eigentlich nichts Besonderes, als er in die Anstalt gekommen ist. Vielleicht hat Wintermute ihn einfach …«
»Ja. Von Grund auf neu
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