Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Neuromancer-Trilogie

Titel: Neuromancer-Trilogie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: W Gibson
Vom Netzwerk:
Erweckt aber den Eindruck, als ob dir dein Aussehen nicht egal wäre. So. Für den Fuß haben wir nix mehr.« Sie stand auf und warf die leere Tube in den großen Weidenkorb. Nichts in diesem Zimmer sah nach Industrie- oder Kunststoffware aus. Teuer, wie Case wusste. Dabei hatte er sich mit diesem Stil nie anfreunden können. Der Temperschaum auf dem riesigen Bett war so gefärbt, dass er wie Sand aussah. Es gab viel helles Holz und handgewebtes Tuch.
    »Und du?«, sagte er. »Färbste dich auch braun? Siehst nicht grade aus, als würdeste den ganzen Tag in der Sonne braten.«
    Sie trug schwarze Seide und schwarze Espadrillos. »Ich bin’ne Exotin. Hab noch’nen breiten Strohhut dazu. Aber du sollst aussehn wie’n billiger Ganove, der mitnimmt, was er kriegen kann, da ist die Instantbräune schon okay.«
    Case stierte verdrießlich auf seinen blassen Fuß und betrachtete sich dann im Spiegel. »O Mann. Was dagegen, wenn ich mir was anziehe?« Er ging zum Bett und schlüpfte in seine Jeans. »Gut geschlafen? Irgend’n Licht gesehn?«
    »Hast du geträumt«, sagte sie.

    Sie frühstückten auf dem Dach des Hotels, einer Art Wiese, gespickt mit gestreiften Sonnenschirmen und unnatürlich vielen Bäumen, wie Case fand. Er erzählte ihr von seinem Versuch, in die Berner KI einzusteigen. Die Frage, ob sie abgehört wurden, schien mittlerweile akademisch geworden zu sein. Falls Armitage es tat, dann durch Wintermute.
    »Und es hat ganz echt gewirkt?«, fragte sie, den Mund voller Käsecroissant. »Wie Simstim?«
    Er bejahte. »So echt wie das hier«, fügte er hinzu und sah sich um. »Vielleicht noch echter.«
    Die Bäume waren klein, knorrig und unglaublich alt, das Ergebnis genetischer Manipulation und chemischer Behandlung. Case hätte zwar kaum eine Kiefer von einer Eiche unterscheiden können, aber das Stilempfinden eines Straßenjungen sagte ihm, dass diese Exemplare zu nett waren, zu eindeutig nach Bäumen aussahen. Dazwischen spendeten leuchtende Sonnenschirme auf sanft abfallenden, frischen grünen Wiesen, deren Unregelmäßigkeit zu geplant wirkte, den Hotelgästen Schatten vor der unablässig scheinenden Lado-Acheson-Sonne. Von einem Nachbartisch wehten französische Wortfetzen herüber, die seine Aufmerksamkeit erregten: die goldenen Kinder, die er am Abend zuvor beim Drachenfliegen über dem Dunstschleier des Flusses gesehen hatte. Jetzt bemerkte er, dass ihre Bräune ungleichmäßig war, ein Schabloneneffekt, der von selektiven Melaninverstärkern herrührte. Verschiedene Brauntöne überlagerten einander in geradlinigen Mustern, fassten Muskeln ein und betonten sie. Die kleinen, festen Brüste des Mädchens, der Unterarm eines Jungen auf dem weißen Emailtisch. Auf Case wirkten sie wie Rennmaschinen; sie hätten eigentlich Aufkleber ihres Friseurs, des Designers ihrer weißen Segeltuchhosen sowie der Schöpfer ihrer Ledersandalen und ihres einfachen Schmucks tragen müssen. Dahinter saßen an einem anderen Tisch drei japanische Ehefrauen
in Hiroshima-Sackleinen, die auf ihre Sararimänner warteten. Die ovalen Gesichter waren von künstlichen Blutergüssen bedeckt; ein äußerst konservativer Stil, den er in Chiba selten zu Gesicht bekommen hatte.
    »Was riecht denn da so?«, fragte er Molly und rümpfte die Nase.
    »Das Gras. Riecht so, wenn’s frisch gemäht ist.«
    Als sie gerade ihren Kaffee austranken, gesellten sich Armitage und Riviera zu ihnen; Armitage in einer maßgeschneiderten Khakiuniform, die aussah, als wären die Regimentsstreifen gerade abgerissen worden, Riviera in einem weiten, grauen Kreppanzug, der perverserweise an Zuchthauskleidung erinnerte.
    »Molly, meine Liebe«, sagte Riviera, kaum dass er sich auf seinem Stuhl niedergelassen hatte, »du musst mir noch was von meiner Medizin verabreichen. Ich hab nichts mehr.«
    »Und wenn ich nicht will, Peter?« Sie lächelte, ohne die Zähne zu zeigen.
    »Du willst schon«, sagte Riviera mit einem kurzen Blick zu Armitage.
    »Gib es ihm«, sagte Armitage.
    »Bist voll drauf auf dem Zeug, was?« Sie zog ein flaches, in Folie gewickeltes Päckchen aus einer Tasche und warf es über den Tisch. Riviera fing es auf. »Damit kann er sich umbringen«, sagte sie zu Armitage.
    »Hab’ne Probevorstellung heut Nachmittag«, sagte Riviera. »Da muss ich in Bestform sein.« Er ließ das Folienpäckchen in der nach oben gekehrten Handfläche verschwinden und lächelte. Kleine, glitzernde Insekten flatterten daraus empor und lösten sich auf. Er steckte

Weitere Kostenlose Bücher