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Neuromancer-Trilogie

Titel: Neuromancer-Trilogie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: W Gibson
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weißen, über den Arm drapierten Segeltuchjacke.
    Als sie die Wiese überquerten und sich im Zickzack zwischen den Bäumen und Tischen hindurchschlängelten, fragte er sich, ob sie ihn erschießen würde, wenn er jetzt zusammenbrach. Schwarzer Pelz flimmerte am Rand seines Sichtfelds. Er schaute zum grellweißen Band des Lado-Acheson-Systems hinauf und sah einen Riesenschmetterling, der sich vor dem aufgezeichneten Himmel elegant in die Kurve legte.
    Am Rand der Wiese kamen sie zum Kliff, das mit einem Geländer gesichert war. Wildblumen wiegten sich im Aufwind aus der Schlucht der Desiderata. Michèle schüttelte die kurzen, dunklen Haare und zeigte mit dem Finger, wobei sie
etwas auf Französisch zu Roland sagte. Es klang, als ob sie wirklich glücklich wäre.
    Case folgte dem Finger und sah die gekrümmten, spiegelglatten Seen, die blitzenden Kasinos, die türkisen Rechtecke von tausend Swimmingpools, die Leiber der Badenden, kleine braune Hieroglyphen, alles eingebettet in den Schoß der künstlichen Schwerkraft an der endlosen Krümmung der Hülle von Freeside.
    Sie folgten dem Geländer zu einer schmuckvollen schmiedeeisernen Brücke, die sich über die Desiderata spannte. Michèle stupste ihn mit dem Lauf der Walther an.
    »Immer sachte. Ich kann heute kaum gehn.«
    Sie hatten erst ein Viertel der Brücke überwunden, als der Microlight zuschlug. Der Elektromotor war erst zu hören, als er mit dem Kohlefaserpropeller Pierres Schädeldecke wegfetzte.
    Der Schatten huschte über sie hinweg; Case spürte das warme Blut, das in seinen Nacken spritzte; dann riss ihn jemand zu Boden. Er rollte zur Seite und sah Michèle mit angezogenen Knien auf dem Boden liegen und beidhändig zielen. Vergebliche Mühe, dachte er mit der seltsamen Klarheit des Schocks. Sie wollte den Microlight abschießen.
    Und dann rannte er. Er warf einen Blick zurück, als er den ersten Baum passierte. Roland rannte hinter ihm her. Der fragile Doppeldecker prallte gegen das Eisengeländer der Brücke, zerbrach, überschlug sich und riss das Mädchen mit sich in die Tiefe.
    Roland hatte nicht zurückgeschaut. Sein Gesicht war blass und verbissen. Er bleckte die Zähne und hielt etwas in der Hand.
    Der Gartenroboter erledigte ihn, als er denselben Baum passierte. Er fiel direkt aus der gepflegten Krone herunter, ein krebsartiges Gebilde mit schwarzgelben Diagonalstreifen.

    »Du hast sie umgebracht«, keuchte Case im Laufen. »Du hast sie alle umgebracht, du wahnsinniges Scheißding …«

14
    Der kleine Zug düste mit achtzig Stundenkilometern durch seinen Tunnel. Case hielt die Augen geschlossen. Das Duschen hatte ihm gutgetan. Allerdings hatte er sein Frühstück wieder von sich gegeben, als er hinunterschaute und Pierres Blut rot über die weißen Kacheln rinnen sah.
    Die Schwerkraft ließ in dem Maße nach, wie die Spindel sich verengte. Case drehte sich der Magen um.
    Aerol wartete mit seinem Scooter an der Rampe.
    »Case, Mann, big problem«, wisperte die Stimme in Cases Kopfhörer. Er regelte die Lautstärke und spähte in das gläserne Lexanvisier von Aerols Helm.
    »Muss auf die Garvey , Aerol.«
    »Yo. Schnall dich an, Mann. Aba die Garvey liegt fest. Die Jacht, die schon mal da war, ist wiedergekomm’ un’ hat an der Marcus Garvey angekoppelt.«
    Turing? »Die schon mal da war?« Case kletterte in den Scooter und legte den Gurt an.
    »Japanerjacht. Hat dein Paket gebracht …«
    Armitage.
     
    Wirre Bilder von Wespen und Spinnen schossen Case durch den Kopf, als die Marcus Garvey in Sicht kam. Der kleine Schlepper klebte am grauen Thorax eines schlanken, insektenartigen Schiffes, das fünfmal so lang war. Greiferarme hoben sich in der seltsamen Klarheit des luftleeren Raums und des ungefilterten Sonnenlichts gegen den zusammengeschusterten Rumpf der Garvey ab. Eine fahle, gewellte Gangway
führte von der Jacht aus seitlich, dem Antrieb ausweichend, um den Schlepper herum und mündete in die Heckluke. Irgendwie hatte diese Konstellation etwas Obszönes, obwohl sie mehr an eine Fütterung als an einen geschlechtlichen Vorgang erinnerte.
    »Was ist mit Maelcum?«
    »Maelcum’s okay. Is niemand rübergekomm’. Jachtpilot hat ihm gesagt, nur die Ruhe.«
    Als sie das graue Schiff passierten, sah Case den Namen HANIWA in frischen weißen Großbuchstaben unter einem langgezogenen japanischen Schriftzug stehen.
    »Gefällt mir gar nicht. Ich hätt gedacht, wird sowieso langsam Zeit, dass wir’nen Abflug machen.«
    »Genau was Maelcum

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