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Neuromancer

Neuromancer

Titel: Neuromancer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson
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es würde mir gefallen, dich gesund zu pflegen, Molly.« Sie lächelte und wischte in Gedanken die blutige Hand an ihrem Gewand ab. »Das gebrochene Bein muß neu eingerichtet werden, aber das läßt sich veranlassen.«
    »Was ist mit Peter?«
    »Peter.« Sie schüttelte sachte den Kopf. Eine dunkle Strähne löste sich
    dabei, fiel in ihre Stirn. »Peter langweilt mich allmählich. Ich finde Drogenmißbrauch im allgemeinen langweilig.«
    Sie kicherte. »Bei anderen jedenfalls. Mein Vater war ein hingebungsvol—
    ler Drogenkonsument, wie du bemerkt haben wirst.«
    Molly wurde verkrampft.
    »Keine Sorge.« 3Jane streichelte mit den Fingern die Haut über ihrem ledernen Hosenbund. »Zu seinem Selbstmord kam es, weil ich den Sicher—heitsspielraum seiner Tiefkühlung manipulierte. Ich bin ihm eigentlich nie begegnet, weißt du? Ich wurde aus dem Glas gelassen, nachdem er sich das letzte Mal zur Ruhe gelegt hatte. Aber ich kannte ihn bestens. Der Kern weiß alles. Ich beobachtete, wie er meine Mutter tötete. Zeig dir das mal, wenn dir Wieder wohler ist. Er hat sie im Bett erwürgt.«
    »Warum hat er sie umgebracht?« Das unbandagierte Auge richtete sich
    auf 3Janes Gesicht.
    »Er konnte die Richtung nicht akzeptieren, die sie für unsre Familie vor—
    sah. Sie gab die Entwicklung unsrer künstlichen Intelligenzen in Auftrag.
    Sie war recht visionär. Sie träumte von einer Symbiose zwischen uns und
    den AI‘s, die unsre geschäftlichen Entscheidungen fällen sollten. Unsere
    bewußten Entscheidungen müßte ich sagen. Tessier-Ashpool wäre unsterblich, wie ein Insektenstaat organisiert, und jeder von uns Teil einer größeren Entität. Faszinierend. Ich werd dir ihre Bänder vorspielen, an die tausend Stunden. Aber ich habe sie nie richtig verstanden, und mit ihrem Tod ist ihre Richtung verlorengegangen. Jede Richtung, und wir haben uns immer mehr in uns selbst verkrochen. Jetzt kommen wir selten raus. Ich
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    bin da eine Ausnahme.«
    »Du sagst, du hast versucht, den Alten zu töten, indem du sein kryoge—
    nisches Programm frisiert hast?«
    3Jane nickte. »Ich hatte Unterstützung. Von einem Gespenst. Daran
    glaubte ich als kleines Kind. Gespenster im Kern der Firma. Stimmen. Eine davon war Wintermute, wie ihr ihn nennt, was der Turing-Code für unsern Berner AI ist, obwohl die Entität, die mit euch ihr Spiel treibt, eine Art Subprogramm ist.«
    »Eine davon? Gibt es mehr?«
    »Eine noch. Aber die hat sich seit Jahren nicht mehr bei mir gemeldet.
    Hat aufgegeben, denke ich. Ich fürchte, daß beide die Folgen gewisser Kapazitäten verkörpern, die meine Mutter in die ursprüngliche Software ein—bauen ließ, aber Mutter war eine äußerst verschwiegene Dame, wenn sie
    es für nötig hielt. Hier. Trink!« Sie führte einen biegsamen Plastikschlauch an Mollys Lippen. »Wasser. Nur ein bißchen.«
    »Jane, Liebste«, fragte der gutgelaunte Riviera irgendwo im Hintergrund,
    »amüsierst du dich?«
    »Laß uns in Ruhe, Peter!«
    »Spielste Doktor...« Plötzlich starrte Molly in das eigene Gesicht, das
    zehn Zentimeter vor ihrer Nase schwebte. Es war nicht bandagiert. Das
    linke Implantat war zertrümmert. Ein langer, silberner Plastikfinger war
    tief in die Augenhöhle, eine konkave Blutlache, getrieben.
    »Hideo«, sagte 3Jane, während sie Molly den Bauch streichelte, »tu dem
    Peter weh, wenn er nicht verschwindet. Geh schwimmen, Peter!«
    Die Projektion verschwand.
    19:58:40 in der Dunkelheit des bandagierten Auges.
    »Du kennst den Kode, sagt er. Sagt Peter. Wintermute braucht den
    Kode.« Case wurde sich plötzlich des CHUBB-Schlüssels bewußt, der sich
    an seiner Nylonkordel an die innere Rundung ihres linken Busens schmiegte.
    »Ja«, sagte 3Jane und zog die Hand zurück. »In der Tat. Hab ihn als Kind
    erfahren. In einem Traum, glaube ich... Oder irgendwo in den tausend
    Stunden Tagebuchaufzeichnungen meiner Mutter. Aber ich glaube, Peter
    hat recht, wenn er mich bestürmt, ihn nicht preiszugeben. Ich bekäme Ärger mit Turing, wenn ich das Ganze richtig verstehe, und Gespenster sind bestenfalls launisch.«
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    Case steckte aus.
    »Seltsamer Geselle, was?« Der Finne grinste Case aus dem alten Sony
    entgegen.
    Case zuckte die Achseln. Er sah, wie Maelcum mit der Remington an der
    Seite durch den Korridor zurückkam.
    Der Zionit wackelte lächelnd mit dem Kopf zu Rhythmen, die Case
    nicht hören konnte. Ein dünnes, gelbes Kabel lief von seinen Ohren in die Seitentasche seiner ärmellosen

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