Neva
alles kaputtgeht?«
»Dad, alles in Ordnung mit dir?« Ich hebe das Telefon auf und stelle es zurück, wobei ich darauf achte, ihm nicht zu nahe zu kommen.
»Entschuldige, Neva.« Er fährt sich mit der Hand durch seine Hufeisenfrisur, und wie ein Schauspieler, der in seine Rolle schlüpft, ist er plötzlich ein anderer. Er richtet sich kerzengerade auf und schnieft. »Bring den InfoScreen zu Allan in den Anbau rüber. Vielleicht kann er ihn reparieren«, sagt er ruhig. Er hat sich wieder im Griff.
Ich drehe das Gerät in meinen Händen. Es passt auf meine Handfläche. Ich habe es nie zuvor angefasst. Normalerweise leuchten auf dem Bildschirm Wörter oder Bilder oder beides. In diesem kleinen Ding steckt eine ganze Bibliothek an Dokumenten, es ist wirklich erstaunlich. Die meisten Menschen haben so etwas noch nie zu Gesicht bekommen. »Okay.« Ich wende mich zum Gehen. Ihm ist anscheinend nicht klar, dass ich weder einen Allan kenne noch weiß, wo sich der Anbau befindet. Eigentlich müsste ich fragen, aber ich tu’s nicht. Ich will ihn nicht noch mehr verärgern, und so habe ich die Chance, mich im Gebäude umzusehen und jemand anderem Fragen zu stellen.
»Danke, Neva«, ruft er mir hinterher, als ich sein Büro verlasse. Das ist eine Premiere! Ein weiterer winziger Erfolg, ein weiterer Nadelstich in der Protektosphäre.
Ich lasse den Flügel hinter mir, der den Informationsdienst beherbergt, und schaue mich nach einem freundlichen Gesicht um. Die meisten Angestellten halten den Kopf gesenkt und meiden jeden Augenkontakt. Ich gehe in Richtung Kantine. Ich weiß inzwischen, dass meine Chancen auf Antworten umso größer sind, je weiter ich mich von unserer Abteilung entferne. Dort weiß jeder, dass ich Dr. Adams’ Tochter bin, und ist dementsprechend auf der Hut. Außerdem habe ich festgestellt, dass die Leute gesprächiger sind, wenn sie nicht mehr an ihren Schreibtischen sitzen. Je unbedeutender ihre Position, desto wahrscheinlicher ist es, dass sie nicht nur eine Frage beantworten, sondern auch darüber hinaus zu plaudern bereit sind. Ich entdecke einen schmächtigen, grauhaarigen Mann in einem graugrünen Overall – Tim laut Namensschild. Perfekt.
»Da woll’n Se wohl zum Techno-Friedhof«, erwidert er, als ich ihm erkläre, dass ich Allan im Anbau suche. »Kommen Se mit. Das finden Se nie allein.«
Ich muss Riesenschritte machen, um mich seinem Tempo anzupassen. Er huscht durch den Komplex wie eine Maus auf der Suche nach Käse. »Was wollen Se denn im Anbau?«, fragt Tim.
»Allan soll den InfoScreen für meinen Va … für Dr. Adams reparieren.« Ich zeige ihm das Gerät, das auf meiner Handfläche liegt.
Er bleibt stehen und nimmt es mir ab. »So ’n Dings hab ich noch nie in echt gesehen.« Er dreht es um und tippt auf das Display. »Mein Opa hatte so was. Er hat gesagt, früher hätte jeder so ’n Gerät gehabt. Ich dachte immer, er wollte mich veräppeln, aber er hat behauptet, damit konnte man telefonieren und Musik hören und Filme sehen und spielen und so.«
Die Generation meiner Großmutter schwelgt gerne in Erinnerungen an die guten alten Zeiten, als das Leben so viel einfacher gewesen ist. Angeblich gab es damals Gerätschaften und Apparate für alles Mögliche. Großmama erzählte mir von Maschinen, die fast wie Menschen aussahen und die Sekretär, Chauffeur und Putzfrau in einem waren. Und ihre Großeltern hätten Reisen gemacht, ohne jemals das Haus zu verlassen. »Virtuelles Soundso« nannte sie es. Außerdem schwor Großmama, dass die Menschen vor dem
Terror
sogar in großen Vögeln aus Metall geflogen sind. Obwohl ich mir nicht vorstellen kann, dass sie mich bewusst angelogen hat, ist es ziemlich schwer zu glauben.
»Das Herzchen hier ist so tot wie ’n Türknauf.« Tim schüttelt das Gerät an seinem Ohr, als ob er auf lose Teile lauschen würde.
Ich nehme es ihm wieder ab. »Ich hoffe nicht. Dr. Adams wäre nicht sehr glücklich darüber.«
Er setzt sich wieder in Bewegung. »Tja. Wie man so hört, ist Dr. Adams wohl über vieles nicht gerade glücklich.«
Ich hole ihn ein. »Wieso? Was meinen Sie damit?«
»Na ja, wo seine verkniffene Assistentin rausgeflogen ist … Die hat ihm doch schon ’n Taschentuch hingehalten, bevor der überhaupt geniest hat.«
Ich muss lachen. Er hat recht.
»Hab gehört, dass er vorgestern bei einer Ratsversammlung ausgerastet ist.« Wir biegen scharf links ab, dann wieder rechts.
»Ernsthaft?«
»Ja. Der wird ja selten laut, aber
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