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Nevada Pass

Nevada Pass

Titel: Nevada Pass Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alistair MacLean
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ziemlich unmittelbar eingetreten sein.« Deakin blickte gemächlich von einem zum anderen. »Ich würde sagen, daß es jemand getan hat, der über einige medizinische, zumindest aber anatomische Kenntnisse verfügt. Ist irgend jemand hier, der etwas von Anatomie versteht?«
    »Was zum Teufel wollen Sie damit sagen?« fragte Claremont empört.
    »Er wurde mit einem schweren, harten Gegenstand wie einem Gewehrkolben auf den Kopf geschlagen. Die Haut über dem linken Ohr ist geplatzt. Aber der Tod trat ein, bevor sich eine Beule bilden konnte. Gleich unter den Rippen ist ein winziger, blauroter Einstich zu sehen. Gehen Sie und überzeugen Sie sich selbst.«
    »Das ist absurd.« Aber Claremonts Gesichtsausdruck strafte seine Worte Lügen – er konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, daß Deakin genau wußte, was er sagte.
    »Natürlich ist es das! In Wirklichkeit hat Molyneux sich ins Herz gestochen, dann die Spritze gesäubert und sie anschließend in seine Tasche zurückgelegt. Ordentlich bis zum letzten Atemzug!«
    »Es ist jetzt kaum der richtige Zeitpunkt für –«
    »Sie haben einen Mörder im Zug. Warum sehen Sie sich Molyneux nicht an und überzeugen sich selbst?«
    Claremont zögerte, aber dann stand er auf und begab sich – gefolgt von fast allen übrigen Mitreisenden – in den zweiten Waggon; selbst Reverend Peabody schloß sich ängstlich und besorgt an. Zurück blieben Deakin und Marica, die aufrecht und mit im Schoß verkrampften Händen sitzengeblieben war und ihn mit einem höchst seltsamen Ausdruck ansah. Als sie sprach, war ihre Stimme kaum mehr als ein Flüstern.
    »Ein Mörder! Sie sind ein Mörder! Der Marshal hat es gesagt. Und in Ihrem Steckbrief steht es auch! Deshalb sollte ich Ihnen also die Fesseln erst abnehmen und dann wieder locker anlegen! Damit Sie sich später allein befreien konnten und –«
    »Der Himmel steh mir bei!« Deakin goß sich müde einen Kaffee ein. »Das Motiv ist natürlich sonnenklar – ich wollte seinen Job, und deshalb hab' ich mich mitten in der Nacht auf die Socken gemacht und ihn umgebracht. Ich habe ihn extra so getötet, daß es wie ein natürlicher Tod aussah, und dann habe ich allen bewiesen, daß es Mord gewesen ist. Nach der Tat habe ich mir selbstverständlich selbst die Hände auf dem Rücken gefesselt und die erforderlichen Knoten mit den Zehen geknüpft.« Er stand auf, ging an ihr vorbei, trat an eines der beschlagenen Fenster und begann es zu säubern. »Ich bin müde. Es schneit. Der Himmel wird dunkel, der Wind nimmt zu, und hinter den Gipfeln lauert ein Schneesturm. Kein guter Tag für eine Beerdigung.«
    »Es wird gar keine geben. Man wird sie nach Salt Lake bringen.«
    »Wen?«
    »Doktor Molyneux. Und alle Männer, die in Fort Humboldt an der Epidemie gestorben sind. Das ist in Friedenszeiten so üblich. Die Verwandten und Freunde – nun ja, sie wollen die Möglichkeit haben, die Gräber zu besuchen.«
    »Aber es wird Tage dauern, bis –«
    Ohne ihn anzublicken sagte sie: »Im Versorgungswaggon stehen etwa dreißig leere Särge.«
    »Wirklich? Nicht zu fassen! Ein Leichenwagen auf Schienen!«
    »Mehr oder weniger ja. Zuerst hieß es, die Särge gingen nach Elko. Aber jetzt wissen wir, daß sie für Fort Humboldt bestimmt sind.« Sie schauderte, obwohl es im Abteil sehr warm war. »Ich bin froh, daß ich nicht mit diesem Zug zurückfahre … Sagen Sie, was glauben Sie, wer war es?«
    »Was? Ach so, wer den Doktor umgebracht hat. Wollen Sie einen Mörder auf einen Mörder ansetzen?«
    »Nein.« Die dunklen Augen sahen ihn ruhig an. »So hatte ich es nicht gemeint.«
    »Nun, ich war es nicht, und Sie waren es auch nicht. Bleiben also nur noch der Marshal und ungefähr siebzig andere potentielle Mörder übrig – ich weiß nicht genau, wie viele Soldaten im Zug sind. Ah! Da kommen schon ein paar Verdächtige.«
    Claremont betrat, gefolgt von O'Brien und Pearce, das Abteil. Deakin sah ihn fragend an. Claremont nickte düster, ließ sich auf seinem Platz nieder und griff stumm nach der Kaffeekanne.
    Im Laufe des Vormittags wurde der Schneefall, wie Deakin vorausgesagt hatte, immer dichter, aber da der Wind nicht in gleichem Maße zunahm, konnte man vorläufig noch nicht von einem Schneesturm sprechen. Alle Anzeichen sprachen jedoch dafür, daß sich das bald ändern würde.
    Der Zug fuhr jetzt mitten durch die imposante Gebirgslandschaft. Der Schienenstrang lief nicht mehr durch Täler und an Flüssen entlang, sondern durch enge,

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