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Nevare 01 - Die Schamanenbrücke

Titel: Nevare 01 - Die Schamanenbrücke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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gewöhnen.«
    Ich bezweifelte das. Mein Vater las mir meine Skepsis von den Augen ab. Er stand neben mir, während ich mich auf die Reling stützte und mit trübsinnigem Blick über den Fluss auf die Reihen von rauchgeschwärzten Stei n häusern starrte, die sich bis dicht an das Ufer drängten. Kaum ein Fleckchen Natur war übriggeblieben. Steinerne Mauern säumten die Ufer des Stromes, dessen Ränder von einer schleimigen Schmutzschicht bedeckt waren. Alle Nase lang quoll bräunliche, sirupdicke Brühe aus offenen Gräben oder gähnenden Rohrenden und entließ ihren Gestank in die Luft und ihren Dreck in den Fluss. Trotzdem lungerten zerlumpte Jugendliche an den Ufern herum und fischten oder prügelten sich oder wanderten wie betäubt an den Ufermauern entlang. Verkrüppelte Büsche und dicke Wasserpflanzen bedeckten den Schlick am Rande des Flusses. Über und hinter den geduckt am Ufer kauernden Lagerhäusern und Fabriken verlief eine gezackte Linie aus Hausdächern und qualmenden Kam i nen. Es war die trostloseste und abstoßendste Kulisse, die ich je gesehen hatte, und sie erschien mir bedrohlicher und unheilvoller als jede noch so dürre Wüste und jede noch so öde Steppe.
    Zum Glück überdeckte der aromatisch duftende Rauch aus der Pfeife meines Vaters die üblen Gerüche, die die Luft schwängerten. Nachdem er eine Weile geschwiegen hatte, klopfte er die Asche aus dem Pfeifenkopf. »Ich selbst war nie auf der Akademie. Du weißt das.«
    »Ich weiß, dass es sie noch nicht gab, als du in me i nem Alter warst, Vater. Und dass du großen Anteil an ihrer Gründung hattest.«
    »Das ist wohl wahr«, antwortete er bescheiden, wä h rend er frischen Tabak aus einem Beutel in die Pfeife stopfte. »Ich wurde am Waffeninstitut ausgebildet. D a mals galten diejenigen, die den Wunsch äußerten, in die Kavalla einzutreten, als ein wenig … unverschämt. P o sten bei der Kavalla, so hieß es, seien die rechtmäßige Domäne der Familien, die den alten Königen als Ritter gedient hatten. Auch wenn diese Familien weniger g e worden waren und unsere berittenen Streitkräfte nicht mehr über genügend Männer verfügten, fanden manche, dass es geradezu gegen den Willen des gütigen Gottes verstoße, wenn ein junger Mann etwas werden wolle, das sein Vater vor ihm nicht gewesen sei. Aber Soldat ist Soldat, und ich hatte meinen Vater überzeugt, dass ich meinem König genauso gut zu Pferde wie zu Fuß dienen konnte. Ich gebe gern zu, dass ich herb enttäuscht war, als ich dazu bestimmt wurde, Artillerist zu werden. Es schien mir, als hätte der gütige Gott selbst die Hand im Spiel gehabt, als das revidiert wurde und ich zur Kavalla geschickt wurde.«
    Er steckte das Mundstück seiner Pfeife in den Mund, zündete den Tabak mit Hilfe eines Schwefelhölzchens an und tat mehrere kurze, stoßartige Züge, bis sie zu seiner Zufriedenheit brannte. Dann fuhr er fort: »Hier in dieser Stadt wirst du, fürchte ich, so leben wie ich während meiner Zeit am Waffeninstitut. Keine freie Luft, nicht genug Platz zum Laufen, mäßiges Essen und Wohnen in drangvoller Enge, ständig auf Tuchfühlung mit deinen Mitkadetten. Einige werden schon jetzt all das verkö r pern, was einen guten Offizier ausmacht. Andere werden rohe, hirnlose Rüpel sein, und du wirst dich fragen, wa r um der gütige Gott Soldatensöhne aus ihnen gemacht hat und zu allem Überfluss auch noch Offiziersanwärter. Aber wenn deine Tage hier vorüber sind, dann wirst du wieder wie ein freier Mann leben, und du wirst wieder umherschweifen und jagen und die frische Luft der unb e rührten Natur atmen können – das verspreche ich dir. Daran musst du immer denken, wenn der Rauch und der Gestank der Stadt und die endlosen grauen Nächte dich allzu sehr bedrücken. Das wird dir Mut machen.«
    »Ja, Sir«, erwiderte ich und versuchte, Trost in dem Gedanken zu finden, aber für den Moment war er zu w e nig greifbar.
    Spät am Abend legten wir in Alt-Thares an. Mein O n kel hatte einen Mann mit einem Wagen geschickt. Er hievte unser Gepäck darauf und band Sirlofty und Stah l schenkel hinten an. Ich saß neben meinem Vater auf dem Sprungsitz des doch recht einfachen Gefährts und ve r suchte, mich nicht zu fragen, ob dies ein Affront wider den Status meines Vaters war. Der Abend war kalt, und in der Luft hing eine eisiger Dunst, der die baldige A n kunft des Winters ankündigte. Wir verließen die Docks und rumpelten erst durch die ärmeren Viertel von Alt-Thares und dann durch

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