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Nevare 01 - Die Schamanenbrücke

Titel: Nevare 01 - Die Schamanenbrücke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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wieder florieren. Die Menschen tun alles, was ihnen Geld einbringt. Ich freue mich auf den Tag, an dem sie den letzten Baum auf diesem Hang gefällt haben und der Fluss wieder frei und sauber ist.«

8. Alt-Thares
     
    An jenem Tag belog ich meinen Vater ein weiteres Mal. Ich machte ihm weis, dass mir etwas, das ich gegessen hätte, nicht bekommen sei. Diese Ausrede ermöglichte es mir, drei Tage lang das Bett zu hüten. Ich brachte es nicht über mich, aus dem Fenster zu schauen. Der G e stank brennender Äste, die rauchgeschwängerte Luft und die Flüche der Matrosen, wenn sie dem Rudergänger ihre Warnungen zuriefen und uns mit ihren langen Pfählen von den treibenden Flößen wegdrückten, sagten mir all das, was ich nicht wissen wollte. Ich war ebenso b e kümmert, wie ich es gewesen war, als die Jäger den Windhexer erschossen hatten. Ich hatte etwas Gewaltiges und Wunderbares erblickt – und war schon im nächsten Moment Zeuge seiner Vernichtung gewesen. Ich fühlte mich wie ein Kind, dem ein höchst begehrenswertes Spielzeug erst vors Gesicht gehalten und dann gleich wieder weggezogen wird. Ich konnte das Gefühl nicht loswerden, dass ich betrogen worden war. Die Welt, in der zu leben ich erwartet hatte, verschwand, bevor ich sie erkunden konnte.
    In Canby verließen wir das Schiff und sagten Kapitän Rhosher Lebewohl. Bei Canby flossen der reißende Ister und die träge Tefa ineinander. Handelsgüter und Wasser trafen hier aufeinander. Letztere vereinten sich zum mächtigen Soudana-Strom, der nach Westen floss. Breit und tief und schnell, war der Soudana eine Hauptve r kehrsader und bildete zugleich unsere Grenze zu Lan d sang. Der Soudana würde seine schnelle Reise zunächst nach Alt-Thares fortsetzen, unserem Bestimmungsort, und dann ohne uns nach Soudanamünde weiterfließen, wo er sich ins Meer ergoss. Soudanamünde war einst eine gernische Stadt gewesen und gleichzeitig unser größter Seehafen; wir hatten es am Ende des Krieges an die Landsänger abtreten müssen. Das war ein herber Ve r lust gewesen, der immer noch jedem patriotisch gesin n ten Gernier in der Seele wehtat.
    Ich fühlte mich erschlagen von den Menschenmassen, die sich durch die Straßen schoben, und lief wie ein ve r schüchtertes Hündchen hinter meinem Vater her. Wohin ich schaute, drängten sich Menschen auf den Gehsteigen, hasteten hierhin und dorthin, allesamt in modische Stä d terkleidung gehüllt. Fahrzeuge jeder erdenklichen Art stritten um Platz auf den verstopften Straßen. Ich war tief beeindruckt, mit welcher Gewandtheit und Zielstrebi g keit mein Vater sich durch das Gedränge manövrierte. So erreichten wir bald die Niederlassung der Reederei, wo mein Vater alles Nötige für unsere Schiffspassage nach Alt-Thares regelte: den Erwerb der Billets, die Beförd e rung unseres Gepäcks, unsere Übernachtung im Hotel. Für mich war es ein merkwürdiges Gefühl, von Fremden angerempelt zu werden und eine Mahlzeit in einem Saal voller Menschen einzunehmen, die beim Essen laut schwatzten und lachten. Musik spielte, und die schwarz beschürzten Kellner, die von Tisch zu Tisch flitzten, b e nahmen sich so vornehm und stolz, dass ich mir richtig schäbig und bäuerlich und fehl am Platze vorkam, als wäre irgendetwas schiefgelaufen und als hätte eigentlich ich derjenige sein müssen, der sie bediente. Ich war froh, als ich mich für die Nacht auf mein Zimmer zurückzi e hen konnte, und noch froher, als wir uns am nächsten Morgen endlich einschifften.
    Sobald unsere Pferde und unser Gepäck an Bord des riesigen Passagierschiffes geschafft waren, versicherte ich meinem Vater, dass ich mich von meiner Krankheit erholt hätte. Die Fahrt des Passagierschiffes auf dem schnell fließenden Soudana-Strom fühlte sich ganz a n ders an als unser gemächliches Dahindriften auf dem Flachboot, denn der Wind in unseren Rahsegeln e r möglichte es dem Schiff, die Strömung an Geschwi n digkeit zu übertreffen. Den Pferden gefiel das Geknarre und G e schaukel unseres dahinfliegenden Schiffes ganz und gar nicht, und als es Zeit war zu schlafen, wollte es mir auch nicht bekommen. Während meiner wachen Stunden störte es mich indes kaum, denn es gab so vi e les auf dem Schiff, das meine Aufmerksamkeit bea n spruchte.
    Unsere Unterkunft war viel luxuriöser als die auf dem bescheidenen Flachboot. Wir hatten jeder eine eigene Kabine mit einem eisernen Bettgestell, das fest mit dem Boden verschraubt war, und ausreichend Platz für unser Gepäck. Es

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