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Nevare 01 - Die Schamanenbrücke

Titel: Nevare 01 - Die Schamanenbrücke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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schon heute zur Akademie muss, Vater?«
    »Wir halten das für das Beste. Dein Onkel hat sich b e reit erklärt, Sirlofty so lange hier zu behalten, bis du dort dein eigenes Pferd haben darfst. Wir werden vorher noch bei einem Schuster vorbeischauen, den Sefert empfiehlt, zwecks einer Stiefelanprobe, und dann begleite ich dich zur Akademie. Du wirst den meisten anderen um einen Tag voraus sein. Vielleicht gibt dir das die Möglichkeit, dich schon einmal einzuleben, bevor deine Klassenkam e raden eintreffen.«
    Und so geschah es denn. Wir waren kaum mit dem Frühstück fertig, als auch schon ein Lakai kam, um zu melden, dass mein Gepäck bereits im Wagen meines O n kels verstaut sei. Mein Onkel sagte mir Lebewohl und informierte meinen Vater, dass es zum Abendessen kös t liches Wildbret mit Wildpflaumensoße gebe.
    Als wir zur Kutsche gingen, kam plötzlich Epiny die Treppe heruntergestürmt. Sie trug immer noch ihr Nach t hemd, über das sie sich hastig einen Morgenrock gewo r fen hatte, aber ihr lockiges braunes Haar hing ihr lose über die Schultern. Jetzt, bei Tageslicht, sah ich, dass sie allenfalls zwei, drei fahre jünger war als ich. Doch kam sie mir noch sehr kindisch vor, als sie rief: »Nevare, N e vare, du kannst doch nicht weggehen, ohne mir Leb e wohl gesagt zu haben!«
    »Epiny! Du bist doch viel zu alt, um in deinem Nach t gewand draußen herumzurennen!«, rügte mein Onkel sie, aber ich hörte aus seiner Stimme unterdrückte Heiterkeit heraus, woraus ich schloss, dass sie ihres Vaters Liebling war.
    »Aber ich muss doch meinem Vetter alles Gute und viel Glück wünschen, Vater! Ach, ich habe dir doch gleich gesagt, dass ich gestern Abend besser hätte au f bleiben sollen. Ich wusste es! Jetzt haben wir gar keine Zeit gehabt, uns zu unterhalten, und dabei hatte ich mich so darauf gefreut, ihm seinen Erfolg oder sein Scheitern an der Akademie vorauszusagen.« Sie trat einen Schritt von mir zurück, hob die Hände und formte mit ihnen e i nen Rahmen, als habe sie vor, ein Portrait von mir zu malen. Sie verengte die Augen zu Schlitzen und sagte mit leiser Stimme: »Vielleicht habe ich dich verkannt. Wie konnte ich dich nur für normal halten? Solch eine Aura. Solch eine großartige Aura, zweimal so stark, wie ich je bei irgendeinem anderen Mann gesehen habe! Nahe bei der Haut brennt sie rot vor Manneskraft, aber eine zweite Korona aus grünem Licht sagt, dass du ein Naturkind bist und dass du der Natur ein liebender Sohn bist und …«
    »Und derlei Quatsch ist genau der Grund, weshalb ich dir untersagt hatte aufzubleiben, um ihn zu begrüßen! Wünsche ihm den Segen des gütigen Gottes, Epiny, und dann lass ihn gehen. Nevare kann sich von einem albe r nen kleinen Mädchen und seinem kindischen Geschwätz an einem für ihn so wichtigen Tag wie dem heutigen nicht aufhalten lassen!« Echter Unmut und vielleicht auch eine Spur von Verlegenheit hatte sich in die Stimme ihres Vaters geschlichen. Ich blieb still stehen, als sie zu mir getrippelt kam. Ihre kleinen Pantoffeln lugten unter dem Morgenrock hervor. Sie stellte sich auf die Zehe n spitzen, küsste mich auf die Wange und wünschte mir eine gute Reise. »Komm bald mal zu uns zum Abende s sen! Ich sterbe hier noch vor lauter Langeweile!«, flüste r te sie hastig, bevor sie mich losließ.
    »Der gütige Gott segne dich, Base«, brachte ich heraus und verbeugte mich erneut vor meinem Onkel, bevor ich in die Kutsche stieg. Epiny stand auf der Treppe, die Hand ihres Vaters haltend, und winkte uns zu, als der Lakai uns die Kutschentür öffnete. Ich wusste wirklich nicht so recht, was ich von ihr denken sollte, entschied aber, dass mein Onkel recht daran tat, besorgt zu sein. Kein Wunder, dass die junge Frau auf dem Fahrgas t schiff so belustigt gewesen war, als sich herausgestellt hatte, dass Epiny meine Base war. Als ich an die Szene dachte, ließ mich allein die Erinnerung daran noch ei n mal erröten.
    Die Kutsche meines Onkels war ein weitaus komfo r tableres und eleganteres Gefährt als der Wagen, der uns am Abend zuvor am Kai abgeholt hatte. Sein Wappen, das »alte Wappen« meiner Familie, prangte auf der blankpolierten Holztür. Der Kutscher hoch auf dem Bock trug die Farben meines Onkels, kastanienbraun und grau, und ein prachtvolles Gespann aus grauen Wallachen mit kastanienbraunen Tupfern auf dem Geschirr und dem Zaumzeug stand bereit. Mein Vater und ich stiegen ein und nahmen auf den weich gepolsterten grauen Sitzen Platz. In jeder Ecke der

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