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Nevare 01 - Die Schamanenbrücke

Titel: Nevare 01 - Die Schamanenbrücke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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weisen. Das Vestibül des G e bäudes war mit dunklem Holz getäfelt, sein Boden mit grauen antoleranischen Fliesen ausgelegt. Unsere Stiefel hallten auf ihrer glänzenden Oberfläche wider. Der Junge führte uns durch einen bogenförmig überwölbten Durc h gang zu einem Adjutanten an einem Schreibtisch im Vorzimmer des Obersten. Der nickte uns durch, als er den Jungen sah. Der Junge blieb an seinem Schreibtisch stehen und bat ihn, in seinen Unterlagen nach Burvelle, Nevare zu suchen und zu veranlassen, dass sein Gepäck ins Wohnheim gebracht werde. »Seine Kutsche steht draußen«, fügte er hinzu. Dann ging der Junge vor zur nächsten Tür, klopfte fest auf die Mahagoni-Täfelung, wartete auf eine Antwort und trat dann ein, um uns a n zumelden. Als der Oberst erwiderte, dass er uns unve r züglich empfangen werde, kam der Junge zurück, um uns in das Zimmer zu geleiten. Dort verbeugte er sich erneut vor meinem Vater und sagte, dass er sich mit seiner E r laubnis jetzt entfernen werde, um zu ermitteln, ob der Koffer des jungen Mannes auch ordnungsgemäß befö r dert und abgeliefert werde.
    »Das darfst du, junger Mann, und ich darf mich abe r mals bedanken«, antwortete mein Vater würdevoll. Als der Junge zur Tür hinaus eilte, erhob sich Oberst Stiet und kam um seinen Schreibtisch herum, um uns zu b e grüßen. Seine Ähnlichkeit mit dem Jungen war unve r kennbar, und meinem Vater fiel sie ebenfalls ins Auge. »Ein junger Bursche, auf den jeder Vater stolz sein kön n te«, bemerkte mein Vater.
    Stiet antwortete kühl: »Er macht sich ganz ordentlich, ja. Die Zeit wird es zeigen. Gutes Blut und frühe Ausbi l dung: das sind meine Kriterien für die Auswahl von ju n gen Männern mit Potential. Ich freue mich sehr, Sie ke n nenzulernen, Lord Keft Burvelle.«
    »Und ich freue mich meinerseits, Sie kennenzulernen, Oberst Stiet. Darf ich Ihnen meinen Sohn vorstellen, N e vare Burvelle?«
    Ich trat vor und gab dem Oberst die Hand, wobei ich ihm in die Augen schaute, wie man es mich gelehrt hatte. Sein Händedruck war warm und trocken, aber irgendwie unangenehm. »Wie geht es Ihnen, Sir?«, sagte i ch. Er gab mir keine Antwort. Ich ließ seine Hand los, verneigte mich leicht, und trat zurück. Irgendwie fühlte ich mich unsicher. Der Oberst wandte sich an meinen Vater.
    »Wenn der junge Caulder zurückkommt, wird er I h rem Sohn seine Stube zeigen. Manchmal biete ich den Eltern neuer Studenten eine kurze Führung durch die Akademie an, aber in Anbetracht Ihrer langjährigen Ve r bindung mit unserer Institution dürfte sich das wohl erü b rigen.«
    Irgendetwas an seinem Ton ließ mich aufhorchen. Ich war nicht sicher, ob er meinen Vater mit seiner Beme r kung beleidigen oder ob er ihm damit ein Kompliment machen wollte. Ich war sicher, dass mein Vater es gena u so empfand, aber er lächelte bloß freundlich und sagte: »Überflüssig oder nicht, Oberst Stiet, ich würde mich über eine Führung ganz gewiss freuen, und sei es nur, um zu sehen, wie unsere Akademie unter Ihrer Hand gedeiht. Lord Sefert Burvelle, mein Bruder, hat mir von einigen der Neuerungen berichtet, die Sie eingeführt haben. Ich würde sie sehr gern einmal mit eigenen Augen sehen.«
    »Hat er das?« Oberst Stiet legte den Kopf schief. »E r staunlich, dass er ein solches Interesse an meiner Instit u tion aufbringt, wo er doch keinen eigenen Soldatensohn hat. Gleichwohl: Wenn Sie sicher sind, dass Sie die Zeit dafür haben … ?«
    »Ich habe immer Zeit, wenn es um unsere Kavalla geht.«
    »Und um Ihren Sohn, darf ich annehmen.« Oberst Stiet lächelte schmallippig.
    Der Gesichtsausdruck meines Vaters war von einer ruhigen Freundlichkeit. »Von heute an gehört mein Sohn der Königlichen Kavalla an. Ich bin überzeugt – wenn ich mich um das beste Interesse der Kavalla kümmere, wird die Kavalla sich, wie sie es immer getan hat, für sich selbst sorgen.«
    Einen Moment lang herrschte Schweigen im Raum. »In der Tat«, sagte Oberst Stiet, und darin lag nicht die Bekräftigung von Verbundenheit, auf die ich gehofft ha t te, und ich glaube auch nicht, dass seine lauwarme An t wort meinem Vater gefiel.
    Caulder Stiet kehrte leise in das Zimmer zurück und stellte sich in Hab-Acht-Stellung hinter der Schulter se i nes Vaters auf. Er hatte nicht einen Laut von sich geg e ben, dennoch schien Oberst Stiet seiner sofort gewahr zu sein. Ohne seinen Sohn dabei anzuschauen, sagte er zu ihm: »Führe den Kadetten Burvelle zu seinem Quartier. Informiere meinen

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