Nevare 01 - Die Schamanenbrücke
sein Soldatensohn. Da dein Vater ein Soldate n sohn war und mitnichten ein Lord, sind alle seine Söhne Soldatensöhne. Das würde uns zu Gleichgestellten m a chen, wenn du alt genug wärst, um Kadett an dieser Inst i tution zu sein. Und wenn – ich wiederhole: wenn du als Sohn eines Soldaten und mitnichten eines Edlen übe r haupt in die Akademie aufgenommen würdest.«
»Ich … ich bin ein Erstgeborener, auch wenn ich So l dat sein werde. Und ich werde auf die Akademie gehen: Als mein Vater diesen Posten übernahm, hat er sich dies vom Rat der Herren ausbedungen, und dieser gestand es ihm zu. Mein Vater hat mir versprochen, mir ein gutes Patent zu kaufen. Und du …« Er verfiel unvermittelt in die respektlose Anrede: »Du bist doch nur … nur der Zweitgeborene eines Zweitgeborenen, der Sohn eines Kriegsherrn, eines Emporkömmlings, der grundlos zum Sohn eines Edelmannes gemacht wurde! Mehr bist du doch nicht!« Caulder hatte nicht nur seinen ganzen Charme eingebüßt, sondern auch seinen äußeren Anstrich von Reife. Mit seinem Gezeter entlarvte er sich als das, was er war, nämlich ein kleiner dummer Junge, und mit seiner hitzigen Erwiderung zeigte er zudem, was er in Wahrheit von uns allen hielt. Was er da von sich gegeben hatte, bemerkte er, wütend und aufgewühlt wie er war, erst, als es schon zu spät war. Er schaute uns alle der Reihe nach an und schien hin und her gerissen zwischen dem Wunsch, das Gesagte ungesagt zu machen, und dem, es uns allen trotzig zu zeigen. Er holte Luft, um zu sprechen.
Trist rettete ihn. Wie immer hatte er lässig auf seinem Stuhl gesessen, die Lehne gegen die Wand neben dem Kamin gelehnt, und in einem Buch gelesen, als der Junge hereinkam. Jetzt wippte er mit dem Stuhl nach vorn, so dass die Vorderbeine mit einem deutlich hörbaren G e räusch auf dem Boden landeten. »Ich geh jetzt raus und kau ein Prim«, sagt er laut und zu niemand Bestimmten. Caulder schaute ihn verblüfft an. Zuerst dachte ich, Trist hätte das gesagt, um Caulder noch mehr zu reizen. Trist hatte jüngst festgestellt, dass zwar das Rauchen von T a bak in »Papier, Pfeifen, Wasserpfeifen oder anderen zum Rauchen von Tabak geeigneten Behältnissen« gemäß der Hausordnung der Akademie strikt verboten war, das Kauen von Tabak jedoch stillschweigend geduldet w u r de. Einige meinten, es sei schlicht vergessen worden, als die Hausordnung seinerzeit aufgesetzt wurde. Andere sagten, es sei wohlbekannt, dass das Kauen von Tabak bestimmte Krankheiten abwehren könne, die besonders unter beengten Wohnverhältnissen aufträten, und dass es deshalb toleriert werde, wenngleich das Aufstellen von Spucknäpfen in unseren Stuben strikt untersagt war. Trist hielt sich an das Motto, dass erlaubt ist, was nicht au s drücklich verboten ist, und frönte ganz offen und ung e niert seiner Leidenschaft. Das ärgerte wiederum Spink, der es als einen groben Verstoß gegen die Verhaltenset i kette eines Gentleman betrachtete. Er war in einer G e gend aufgewachsen, in der Tabakgenuss nicht verbreitet war, und schien jeglichen Genuss davon widerwärtig und abstoßend zu finden. So vorhersehbar wie der morgendl i che Sonnenaufgang, bemerkte Spink denn auch: »Eine scheußliche Angewohnheit.«
»Unbestreitbar«, stimmte ihm Trist leutselig zu. »Wie die meisten Dinge, die Spaß machen.« Dafür heimste er einen kollektiven Lacher ein, und dann durchschaute ich den eigentlichen Zweck, den er damit verfolgte, als er sich grinsend zu Caulder umwandte. »Wie es sich für die Laster von Emporkömmlingen, von Abkömmlingen von Kriegsherren gehört. Findest du nicht, Caulder Stiet? Oder hast du noch nie Tabak gekaut?« Bevor der Junge antworten konnte, gab Trist selbst die Antwort. »Nein, du bist ganz sicher zu wohlgeboren, um von den schlichten Genüssen, die ein Kavallamann mit sich herumträgt, auch nur gehört zu haben. Ein bisschen zu derb für einen wohlerzogenen Burschen wie dich.« Lässig zog Trist ein Stück Kautabak aus der Tasche. Er schlug das bunte P a pier ein Stück zurück und dann das darunter liegende Wachspapier, so dass der dunkelbraune Riegel aus g e trockneten Tabakblättern zum Vorschein kam. Selbst von meinem Platz aus konnte ich den beißenden Geruch des Tabaks wahrnehmen. Es war billiger, grober Knaster, etwas, das vielleicht ein Schafzüchter kauen würde.
Caulders Blick wanderte von dem Priem zu Trists l ä chelndem Gesicht und zurück. Fast konnte ich die ch a rismatische Anziehungskraft selber spüren. Er
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