Nevare 01 - Die Schamanenbrücke
Mund wegging, bevor er ihn dann sicher nach Hause bis vor die Tür seines P a pas brachte? Kein anderer als Trist Wissom! Und keinen anderen als den hat der junge Herr Caulder zum Essen eingeladen, bei sich zu Hause, nächsten Siebttag.« Er stand auf und streckte sich, hochzufrieden mit seinem Erfolg. Dann fläzte er sich wieder auf seinen Stuhl.
»Und glaubst du nicht, dass der Junge irgendwann rauskriegen wird, dass fast jeder kotzen muss, wenn er zum ersten Mal Tabak kaut? Glaubst du nicht, dass ihm irgendwann klar werden wird, dass du ihn hochgeno m men hast, um ihn zu blamieren, und dass er dich dafür hassen wird?« Spinks Stimme war schneidend kalt.
»Wen sollte er denn danach fragen? Und wer sollte es ihm sagen?«, fragte Trist ruhig. Er erhob sich lässig von seinem Stuhl. »Gute Nacht, Jungs. Träumt was Sch ö nes!« Er schlenderte hinaus.
»Eines Tages wird er das zurückkriegen, jede Wette«, sagte Spink wütend.
Aber wie bei allen Risiken, die Trist einging, schien auch dieses nie s einen Tribut zu fordern. Trist blieb wä h rend der Anfangsmonate unserer Ausbildung ein Liebling des Jungen, lud ihn oft in unseren Gemeinschaftsraum ein und widmete ihm Zeit, obwohl er wusste, dass der Junge allen anderen auf die Nerven ging. Ich selbst teilte schon bald Sergeant Rufets Einstellung zu Caulder: Ich fand ihn lästig und anmaßend. Er schien sich für eine Miniaturausgabe seines Vaters zu halten, denn wann i m mer er einem Erstjährler begegnete, gab er irgendeinen dummen Kommentar von sich. Sogar wenn Unteroffizier Dent uns in Formation zu einer unserer Klassen ma r schieren ließ – begegneten wir unterwegs Klein-Caulder, fühlte er sich bemüßigt, an Calebs Stiefeln herumzum ä keln oder Rory zu sagen, dass sein Uniformhemd hinten aus der Hose hänge. Spink war mit seiner schlecht si t zenden Kluft ständig Zielscheibe der höhnischen Kritik des jungen Schnösels. Mein Freund ärgerte sich schwarz darüber, und besonders wütend machte ihn, dass Dent den Burschen niemals zurechtwies und ihm sagte, er so l le sich trollen und uns in Ruhe lassen. Für Trist hingegen hatte Caulder immer ein freundliches und kameradschaf t liches Wort übrig, fast so, als wollte er uns alle mit der Nase darauf stoßen, dass der blonde Kadett einen beso n deren Stein bei ihm im Brett hatte.
Am schlimmsten war es, wenn der Junge in unseren Wohnbereich eindrang, meist unter dem Vorwand, i r gendeine Nachricht zu überbringen oder uns irgendeine überflüssige Mahnung zu übermitteln. Ich erfuhr bald, dass wir nicht das einzige Haus waren, das er mit seinen Besuchen belästigte. Er bevormundete uns allesamt, ne u en und alten Adel gleichermaßen. Manche Kadetten munkelten, er spioniere für seinen Vater; er fahnde in unseren Unterkünften nach Hinweisen auf Trinken, Glücksspiel oder Frauen. Andere, und zu denen gehörte auch ich, hatten Mitleid mit dem Jungen; wir vermuteten, dass er bei uns die Kameradschaft und Geborgenheit suchte, die sein Vater ihm nicht bot, denn wir hatten ihn seinen Sohn niemals anders behandeln sehen denn wie einen kleinen Soldaten. Es hieß, er habe noch zwei jü n gere Schwestern und eine Mutter, aber bis jetzt hatte ke i ner von uns diese jemals zu Gesicht bekommen. Er hatte keine Freunde in seinem Alter, jedenfalls keine, die wir je zu Gesicht bekommen hätten. Er wohnte in der Unte r kunft des Kommandanten auf dem Campus und erhielt vormittags Unterricht. Nachmittags schien er unbeau f sichtigt zu sein, und oft sahen wir ihn bis in die frühen Abendstunden hinein mutterseelenallein auf dem Ca m pus umherirren.
Anscheinend war er auf der Suche nach irgendetwas. Immer häufiger suchte Klein-Caulder die Nähe Trists und tauchte oft ungebeten in unserem Gemeinschaft s raum auf. Trist gab dem Burschen dann von seinen hei m lich gekauften Süßigkeiten ab, so er welche hatte, und wenn nicht, erzählte er ihm unwahrscheinliche Geschic h ten von Flachländern und ihren schönen Frauen. Diese Taktik schien sich auszuzahlen, denn – wie Trist geprahlt hatte, war er einer der ersten Kadetten, die an den Tisch des Kommandanten in dessen Quartier eingeladen wu r den, eine seltene Ehre, die Oberst Stiet nur solchen K a detten erwies, in denen er hohes Potential zu erkennen glaubte. Mir entging nicht, dass Trist der einzige Sohn von neuem Adel war, dem dieses Privileg zuteil wurde, obwohl die Einladungen zum Dinner regelmäßig ausg e sprochen wurden. Es kratzte an meinem Selbstbewuss t sein, dass ich
Weitere Kostenlose Bücher