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Nevare 01 - Die Schamanenbrücke

Titel: Nevare 01 - Die Schamanenbrücke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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Geschichte erzählten. Es war ein endloser, zum Gähnen langweiliger Nachmittag gewesen, mit ausgefallenen K o stümen und Kulissen und mittelmäßigem Gesinge, das es kaum schaffte, zu unseren Ohren vorzudringen. Am Schluss hatten wir alle pflichtschuldig applaudiert, doch nur, um zu erfahren, dass die Erstjährler nicht an der a n schließenden Teegesellschaft teilnehmen durften, die, weil sie uns die Chance geboten hätte, uns unter die ju n gen Damen zu mischen, der einzige Grund gewesen war, der uns den langweiligen Gesangsvortrag tapfer hatte durchstehen lassen. Stattdessen hatte man uns zurück in unser Wohnheim beordert, damit wir dort »den Rest u n seres freien Tages genießen« konnten.
    Als einer der wenigen unter den Söhnen von neuem Adel hatte ich das Glück, dass ich Verwandte in der N ä he wohnen hatte, die bereit waren, mich an meinen freien Nachmittagen zu sich nach Hause einzuladen. Außer mir konnten nur Trist und Gord mit einer Einladung zum Abendessen rechnen. Die anderen verbrachten ihren fre i en Tag meistens auf der Stube oder im Gemeinschaft s raum. Mein Onkel schickte jedes Mal eine Kutsche, um mich abzuholen, und bewirtete mich in seinem Haus mit einer kräftigen Mahlzeit. Auf diese Weise lernte ich me i ne Tante, meinen Vetter Hotorn und meine Base Purissa ein wenig besser kennen. Meine Tante Daraleen blieb mir gegenüber steif und reserviert, aber ich merkte, dass daran, wie es schon mein Vater beobachtet hatte, nichts Persönliches war. Solange ich unsere Verwandtschaft nicht ausnutzte, fühlte sie sich von mir nicht bedroht. Ich genoss die langen Gespräche mit meinem Onkel in se i nem Arbeitszimmer, in denen er mich oft nach meinen Fortschritten an der Akademie fragte und mit mir über Sprache und militärgeschichtliche Themen diskutierte. Manchmal gesellte sich Hotorn, sein Sohn und Erbe, zu uns. Er war vier Jahre älter als ich und studierte an der Universität. Oft erzählte er von seinem Studium dort, und ich muss gestehen, dass ich ihn ein bisschen darum b e neidete, dass zu seinen Studienfächern auch Literatur und Musik und Kunst gehörten. Meine jüngere Base Purissa mochte mich so sehr, dass sie mit Hilfe ihrer Gouverna n te Plätzchen und süßes Naschwerk für mich buk und mir jedes Mal einen Korb voller Leckereien für mich und meine Freunde an der Akademie mit auf den Weg gab. Epiny aber, meine ältere Base, war stets abwesend, wenn ich zu Besuch kam. In gewisser Hinsicht war ich darüber erleichtert, war doch mein erster Eindruck von ihr ein recht zwiespältiger gewesen.
    Eines Nachmittags sagte ich in der Absicht, höfliche Konversation bei Tisch zu treiben, zu meiner Tante: »Es ist schade, dass Epiny immer anderwärts beschäftigt ist, wenn ich hier bin.«
    Der Blick, den sie mir daraufhin zuwarf, war noch kühler als der, mit dem sie mich normalerweise bedachte. »Schade?«, fragte sie. »Ich fürchte, ich kann deinen G e danken nicht ganz folgen. Warum findest du das sch a de?«
    Sofort fühlte ich mich meiner selbst unsicher, als ritte ich auf einem Pferd über holpriges Geläuf. »Nun, ich meinte damit natürlich nur, dass es für mich schade ist. Ich würde mich ganz gewiss über ihre Gesellschaft fre u en und über die Gelegenheit, sie kennenzulernen.« Ich glaubte, diese Worte würden ausreichen, um die Wogen zu glätten, die meine Bemerkung offenbar in meiner Ta n te hatte aufwallen lassen, aber da täuschte ich mich.
    Sie rührte einen Moment in ihrem Tee und lächelte mich dann an, aber ohne jede Wärme. »Ach, ich bin s i cher, dass du dich da irrst, Nevare. Du und meine Toc h ter, ihr hättet absolut nichts gemein und würdet wohl kaum etwas miteinander anfangen können. Epiny ist eine sehr sensible und kultivierte junge Frau. Ich kann mir nicht vorstellen, worüber ihr zwei euch unterhalten kön n tet. Bestimmt wäre das für euch beide ausgesprochen peinlich.«
    Ich schaute auf meinen Teller und murmelte: »Natü r lich, gewiss hast du Recht, Tante Daraleen.« Ich hätte alles in der Welt getan, um das Blut abzukühlen, das mir nach ihrem wohlgesetzten Rüffel ins Gesicht geschossen war. Offensichtlich fand sie es dreist von mir, auch nur in Erwägung zu ziehen, dass ihre Tochter mich irgendetwas anderes finden könnte als bäurisch und langweilig. G e nauso offensichtlich war es kein Zufall, dass Epiny nie anwesend war, wenn ich zu Besuch kam. Meine Tante hielt ihre Tochter mit Absicht von mir fern. Erst jetzt wurde mir bewusst, dass ich immer der

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