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Nevare 01 - Die Schamanenbrücke

Titel: Nevare 01 - Die Schamanenbrücke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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durch mehrere Klassen hindurch an. Außerdem sei es ein konsequenter Schritt bei der Umsetzung des Konzepts, alle Kadetten künftig mit einheitlichen Reittieren auszustatten. Für mich bewies Stiet damit nur, dass er nicht begriff, was es hieß, ein Kavallasoldat zu sein. Er untergrub mit seiner Maßnahme die Moral auf eine Weise, die vielleicht nur ein Kavallerist verstehen konnte. Ein Kavallerist ist zur Hälfte Pferd; unberitten wird er zu einem unerfahrenen und ungeübten Fußsoldaten. Uns auf einheitliche, aber mittelmäßige Pferde zu setzen war etwa so, als gäbe man uns Waffen minderer Qualität oder fadenscheinige Un i formen.
    Dies war das Thema eines der Briefe, die ich Carsina schickte. Ich verfasste ihn so »neutral«, dass zum einen ihre Eltern nichts gegen ihn einzuwenden haben konnten und dass zum andern auch ihr Vater ihn interessant fi n den würde, weil Carsinas jüngerer Bruder eines Tages die Akademie besuchen sollte. Zweimal pro Monat san d te ich ihr über die Adresse ihres Vaters schickliche Bri e fe. Ich schrieb sie mit dem Wissen, dass ihr Vater sie eingehend studieren würde, bevor seine Tochter sie zu lesen bekam. Es war frustrierend, dass ich ihr nicht all das mitteilen konnte, wovon mein Herz überfloss, aber ich wusste, dass ihr Vater in mir einen zielstrebigen K a detten sehen musste, einen Mann, der wusste, was er wollte, wenn ich sie für mich zu gewinnen beabsichtigte. Wie sehr ich jenes kleine Spitzentüchlein auch hegte und schätzte – blumige Formulierungen würden mir mitnic h ten seinen Respekt einbringen. Die kurzen Schreiben, die ich von ihr zur Antwort erhielt, waren höchst u nbefried i gend. Sie erkundigte sich stets nach meiner Gesundheit und äußerte die Hoffnung, dass ich mit meinem Studium gut vorankomme. Hin und wieder erwähnte sie irgende i ne ihrer eigenen nützlichen Betätigungen, zum Beispiel, dass sie gerade dabei sei, eine neue Sticktechnik zu erle r nen, oder dass sie die Küchenhilfen beim Einmachen von Beeren für den Winter beaufsichtigt habe. Ich machte mir wenig aus Stickerei und Eingemachtem, aber diese spr ö den kleinen Episteln waren das Einzige, wovon ich ze h ren konnte.
    Ihr Erinnerungsgeschenk trug ich stets bei mir, sor g fältig zusammengefaltet und in einen Bogen feinen P a piers eingeschlagen, um seinen Duft zu bewahren. Zuerst sprach ich mit meinen Kommilitonen wenig über meine Liebe, aus Angst, sie könnten mich damit aufziehen. Bis ich eines Abends in eine Unterhaltung zwischen Kort und Natred platzte. Sie redeten von daheim und von der Ei n samkeit und von der jeweiligen Schwester des anderen. Kort hielt ein Leinentüchlein in der Hand, auf das ein Vergissmeinnicht gestickt war. Natreds Erinnerungsg e schenk von Korts Schwester war ein im Kreuzstich gea r beitetes Lesezeichen in den Farben der Akademie. Ich hatte es ihn nie benutzen sehen, und ich vermutete, dass er es als zu kostbar für einen solch prosaischen Zweck erac h tete.
    Ich empfand ein seltsames Gefühl von Erleichterung und zugleich Stolz, als ich ihnen mein eigenes Erinn e rungsgeschenk zeigte und erzählte, unter welchen U m ständen ich es bekommen hatte. Und ich vertraute ihnen an, dass ich meine Liebste mehr vermisste, als es sich für jemanden gehörte, der zwar versprochen, aber noch nicht förmlich verlobt war. Während wir darüber diskutierten, wie vorsichtig man sich in einer solchen Situation zu ve r halten hatte, holte jeder von ihnen zögernd ein kleines Päckchen Briefe hervor. Das von Kort war mit einem l a vendelfarbenen Band umschnürt, und das von Natred du f tete nach Veilchen. Sie steckten unter einer Decke mit ihren Schwestern, die Briefe von ihren Brüdern empfi n gen und sie dann austauschten. Auf diese Weise konnten Kort und Natred nicht nur frank und frei darüber schre i ben, was sie wirklich empfanden, sondern genossen auch das Priv i leg, ohne elterliche Zensur von ihren Liebsten zu h ö ren.
    Die augenfällige Lösung für mein Dilemma bot sich natürlich sofort an, aber ich zögerte mehrere Wochen lang. Würde Yaril mit meinem Ansinnen zu meiner Mu t ter gehen? Würde Carsina schlecht von mir d enken, weil ich versucht hatte, der Überwachung meiner Korrespo n denz durch Lord Grenalter zu entgehen? Am schwieri g sten war die ethische Frage, ob es recht von mir war, wenn ich versuchte, meine Schwester in mein Komplott mit einzuspannen. Während ich mir darüber noch den Kopf zerbrach, erhielt ich einen sehr eigenartigen Brief von Yaril. Meine

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