Nevare 01 - Die Schamanenbrücke
Erscheinungsbild her so einheitlich, dass man kaum Unterschiede zwischen ihnen erkennen konnte. Sie hatten keine Namen, sondern Za h len. Mein Pferd »hieß« Siebzehn C, wobei das C für Ca r neston-Reiter stand. Auch die Pflege der Tiere oblag uns, womit unser ohnehin schon vollgestopfter Tagesa b lauf noch um eine weitere Pflicht reicher wurde. Schlachtrö s ser waren diese Pferde beileibe nicht, auch keine Kava l lapferde, aber ich vermute, es sah recht hübsch aus, wenn wir unsere choreographierten Manöver auf ihnen durc h führten. Es waren anspruchslose Tiere, bedingungslos gehorsam – und völlig ungeeignet für jede Herauford e rung, bei der Ausdauer oder Geschwindigkeit gefragt waren. Wir saßen auf ihrem Rücken, und sie vol l führten ihre Manöver präzise, aber ohne jedes Feuer. Wenn es einen Patzer gab, dann war gewöhnlich der K a dett daran schuld und nicht das Pferd. Gord erwies sich zu meiner Überraschung als ein durchaus begabter Re i ter, während Oron i n seinem Sattel hing wie ein nasser Sack und Rory es offenbar genoss, sein Pferd »im Griff« zu haben, was sich darin äußerte, dass er es immer fest an die Kandare nahm und es härter anspornte als nötig, mit dem Erge b nis, dass es zappelig und störrisch reagierte.
Gleichwohl sah unser kleiner Trupp zu Pferde besser aus als die anderen Erstjährler-Gruppen. Die Carneston-Erstjährler waren nicht nur die Soldatensöhne von Sold a ten, sondern wir waren auch allesamt die Söhne von K a vallerieoffizieren und hatten alle Erfahrung im Sattel. Auf die Soldatensöhne, die dem alten Adel entstammten, traf das ganz offensichtlich nicht zu. Während unserer Pausen schauten wir ihnen immer gern bei den Dril l übungen zu. Rory fasste es unseren Eindruck mit folge n den Worten zusammen: »Wegen denen müssen wir alle auf diesen braven, lahmärschigen Karussellpferden si t zen. Setz denen mal einen richtigen Gaul unter den Hi n tern, und die Hälfte von ihnen macht sich in die Hose.«
Ein paar von ihnen konnten richtig reiten, aber bei den meisten war die fehlende Erfahrung deutlich zu sehen. Die Nichtkönner verpfuschten mit ihrer Ungeschicklic h keit alle Bemühungen derer, die reiten konnten. Die Pferde kannten die Kommandos, nur ihre Reiter kannten sie nicht. Ich sah einen Burschen mit weit vom Körper weggespreizten Ellenbogen mit seinen Zügeln heru m fuchteln, was sein Pferd prompt dazu veranlasste, von einer Seite zur anderen zu schwenken und gelegentlich das Pferd neben ihm zur Seite zu drängen. Ein anderer hielt sich beim Reiten mit einer Hand am Sattelhorn fest. Beim Trab sah er so aus, als würde er jeden Moment h e runterfallen. Wir hatten unseren Spaß daran, aber der war leider nur von kurzer Dauer. Unser Exerzierausbilder, Leutnant Wurtam, entstammte dem alten Adel und ließ uns deren Söhne nicht so verspotten, wie wir es gern g e tan hätten. Stattdessen mussten wir zur Strafe die Ställe ausmisten. Wurtam hielt uns einen ellenlangen Vortrag, in dem er sich zu der Behauptung verstieg, wenn wir die Mitglieder anderer Trupps verspotteten, verspotteten wir damit die Kavalla selbst und besudelten damit den ura l ten Brauch, dass die Kavalla auf sich und ihre Angehör i gen Acht gebe. Seine Predigt verfing indes bei keinem von uns. Wir kannten sehr wohl den Unterschied zw i schen gutmütiger Hänselei und unkameradschaftlichem Verhalten. Die Strafe war ein weiterer Hammerschlag auf den Keil, den die Kavallaoffiziere anscheinend mit aller Macht zwischen die Kadetten aus dem alten Adel und die aus dem neuen treiben wollten.
Ich dachte oft an Sirlofty und vermisste ihn sehr; zum Glück wusste ich, dass er im Stall meines Onkels bestens versorgt wurde. Der Junge in mir freute sich schon auf das dritte Jahr. Dann würde sich der Schwerpunkt uns e rer Ausbildung vom Klassenzimmer auf die Arbeit im Gelände verlagern. Dann würde ich mein eigenes Pferd in den Stallungen der Akademie haben dürfen und en d lich zeigen können, was mein Reittier und ich konnten.
Doch schon nach zwei Monaten des ersten Jahres ze r stoben diese Hoffnungen mit einem Schlag: Oberst Stiet gab bekannt, dass alle privaten Pferde, die in den Sta l lungen der Akademie untergestellt waren, zu den jeweil i gen Heimatorten ihrer Besitzer zurückgebracht und durch akademieeigene Reittiere ersetzt würden. Als Grund für diese Maßnahme führte er Kostenvorteile durch die Ve r einheitlichung von Futter, tierärztlicher Versorgung und die Verwendung von nur einem Pferd
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