Nevare 01 - Die Schamanenbrücke
Antwort lautete, wie ich mit halbem Ohr mitbekam, »Generationen«. Mein Onkel e r zählte stolz von den Neuerungen, die er zu seinen Le b zeiten eingeführt hatte, von der Gasbeleuchtung bis zum Umbau des Weinkellers zum Zwecke der effizienteren Temperaturkontrolle. Spink folgte seinen Ausführungen mit Begeisterung, und ich sah, wie mein Onkel sich i m mer mehr für ihn erwärmte.
Nach dem Essen schlug mein Onkel vor, dass wir uns auf eine Zigarre und einen Weinbrand in sein Arbeit s zimmer zurückzogen. Meine kurzzeitig aufflammende Hoffnung auf einen gemütlichen Männerabend in frie d voller Ruhe und Abgeschiedenheit zerstob indes jäh, als Epiny lautstark protestierte: »Aber Papa! Du hast mir versprochen, ich könnte mit ihnen Towsers spielen! Du weißt genau, wie sehr ich mich darauf gefreut habe!«
Onkel Sefert stieß einen toleranten Seufzer aus. »Ach, na schön. Meine Herren, statt in mein Arbeitszimmer ziehen wir uns dann also ins Wohnzimmer zurück, zu süßen Plätzchen, lieblichem Wein und mehreren hundert aufregenden Partien Towsers!« Er schaute gleichzeitig wehmütig und belustigt drein, während er dies verkünd e te, und was blieb uns anderes übrig, als gutmütig zu l ä cheln und zuzustimmen? Purissa schien das Entzücken ihrer älteren Schwester zu teilen, denn sie sprang von ihrem Stuhl auf, rannte zu ihr und fasste sie bei der Hand. Die Mädchen führten uns vom Tisch weg und in ein hü b sches Zimmer, in dem ein kleiner, mit geblümten K a cheln verzierter Ofen wohlige Wärme spendete. Aus der Tülle eines Teekessels auf der Herdplatte stieg Dampf auf. Der Fußboden war mit bunten Webteppichen aus Sebany bedeckt. Sitzpolster in den kraftvollen Farben jenes exotischen Landes lagen überall im Zimmer ve r streut. Dickbäuchige Öllampen mit buntbemalten Schi r men flackerten in ihren Alkoven, und das trotz der L e gionen von dicken gelben Kerzen aller Größen und Fo r men, die in Haltern unterschiedlicher Größen steckten und allenthalben ihr warmes Licht spendeten. Es gab mehrere niedrige Tische, kaum höher als meine Knie, und auf einem davon standen mehrere Tabletts voller Plätzchen und eine Karaffe mit Weinschorle. Ein großes Bauer aus Korbweide beherbergte ein halbes Dutzend kleiner rosafarbener Vögel, die von Stange zu Stange hüpften und laut zwitscherten, als wir hereinkamen. Weiße Vorhänge waren für den Abend vor die hohen Fenster gezogen worden.
»Ach, ich hätte euch unser Wohnzimmer früher zeigen müssen, als es draußen noch hell war!«, rief Epiny in einer plötzlichen Aufwallung von Enttäuschung. »Im Dunkeln kann man unsere neuen Glasperlenvorhänge gar nicht richtig sehen!« Dessen ungeachtet ging sie in eine Ecke und zog die weißen Vorhänge mittels eines Fl a schenzugmechanismus auf. Zwischen der Nacht und uns hing, gehalten von dünnen Drähten, ein Gewebe aus wi n zigen, auf Fäden gezogenen Perlen. »Wenn die Sonne s cheint, kann man sehen, dass eine ganze Landschaft aus farbigen Perlen in den Vorhang eingearbeitet ist. Vie l leicht könnt ihr es morgen besser sehen«, erklärte sie und zog die weißen Vorhänge wieder zu.
Spink und ich standen noch, denn es gab im ganzen Raum keine Stühle. Mein Onkel verschränkte seine la n gen Beine und ließ sich auf eines der riesigen Kissen si n ken, die den Fußboden bedeckten. Purissa hatte es sich bereits auf einem davon bequem gemacht, und Epiny tat es ihr gleich, nachdem sie aus der Ecke zurückgeko m men war. »Setzt euch doch«, sagte sie zu Spink und mir, während sie einen hölzernen braunen Spielekasten aus einer Schublade in einem der flachen Tische hervorholte. »Meine Mutter ist bei der Ausstattung dieses Zimmers dem Beispiel der Königin gefolgt. Unsere Königin hat seit kurzem großen Geschmack an sebanesischem Dekor gefunden. Nach den abendlichen Banketts bei Hofe pflegt sie sich mit allen ihren Favoritinnen in ihren priv a ten Salon zurückzuziehen. Setzt euch einfach irgendwo um den Tisch herum und macht es euch bequem.«
Spink und ich ließen uns ungeschickt auf die Sitzki s sen sinken. Unsere Hosen waren nicht für diese Sitzweise geschnitten, und unsere Stiefel boten an den Knöcheln nicht viel Bewegungsspielraum, aber wir schafften es irgendwie, eine halbwegs bequeme Sitzposition einz u nehmen. Epiny baute ein Spiel mit bunten Karten und Keramikchips und einem emaillierten Spielbrett auf dem Tisch auf. Sie hatte sichtlich Spaß daran, wie die Steine melodisch klimperten, während sie sie auf
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