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Nevare 01 - Die Schamanenbrücke

Titel: Nevare 01 - Die Schamanenbrücke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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Ein Medium ist jemand, der die Macht hat, Geister dazu zu bringen, durch seinen Körper zu sprechen. Manchmal sind das die Geister von Leuten, die gestorben sind, aber den Lebenden noch etwas mitteilen wollen. Manchmal scheint es sich bei den Geistern um ältere Wesen zu ha n deln, vielleicht sogar um die alten Götter, zu denen die Menschen gebetet haben, bevor der gütige Gott kam und uns von der Dunkelheit erlöste. Und manchmal …«
    »Ach so! Das! Davon habe ich gehört. Leute, die im Dunkeln in einem Kreis sitzen, sich bei den Händen ha l ten und sich gegenseitig mit Geschichten vom Schwarzen Mann Angst machen. Das klingt ziemlich ketzerisch, und es erscheint mir eine vollkommen unpassende Beschäft i gung für ein Mädchen zu sein«, sagte ich mit ernstem Gesichtsausdruck. Tief in meinem Herzen jedoch brannte ich vor Neugier, aber ich wollte nicht meine eigene Base zu solch verderblichem Tun anstiften.
    »Ach wirklich?« Sie schaute mich verächtlich an. »Vielleicht solltest du das meiner Mutter erzählen, denn sie assistiert heute Abend der Königin bei ihrer allw ö chentlichen Seance. Vielleicht würde aber auch die K ö nigin selbst gern einmal deine Ansichten dazu hören, was ›ketzerisch und völlig unpassend für Mädchen‹ ist.« Sie wandte sich Spink zu. »Die Königin sagt, dass vielmehr die Wissenschaften und Disziplinen, die zur Macht fü h ren, ›unpassende Betätigungen für Frauen‹ sind. Was meinst du dazu?«
    Spink schaute mich an, aber ich war ihm auch keine Hilfe. Das ganze Gespräch kam mir sehr eigenartig vor, ganz wie Epiny selbst. Spink holte Luft, und sein G e sichtsausdruck war der Gleiche wie der, den er aufsetzte, wenn ein Lehrer ihn in der Klasse drannahm. »Ich habe nicht viel Zeit gehabt, darüber nachzudenken, aber obe r flächlich betrachtet ist daran sicherlich etwas Wahres. Frauen erhalten wenig Ansporn, Naturwissenschaften oder Ingenieurwissenschaft zu studieren. Auch ist es i h nen verwehrt, den vollständigen Text der Heiligen Schrift zu studieren; sie dürfen nur die Texte lesen, die speziell den Frauen gewidmet sind. Die Künste und Wissenscha f ten des Krieges werden als unpassend für sie erachtet … und wenn diese Wissenschaften die Wege zur Macht sind, nun, dann bleiben den Frauen diese Wege log i scherweise versperrt, wenn man ihnen das Studium der besagten Disziplinen verbietet.«
    »Was soll daran Schlimmes sein?«, fragte ich. »Wenn es Fächer gibt, die für Mädchen ungeeignet sind, dann ist es doch nur natürlich, dass das Studium dieser Fächer zu ungeeigneten und unerwünschten Ergebnissen führt. Warum sollte irgendein Vater seine Tochter auf einen Weg schicken, der für sie nur zu Unglück und Enttä u schung führen kann?«
    Epiny fuhr zu mir herum und schaute mir direkt ins Gesicht. »Und warum sollte eine mächtige Frau unglüc k lich und enttäuscht sein?«
    »Weil sie, weil sie keine … nun, eine mächtige Frau hätte keine, nun, sie hätte keine Kinder und keine Familie und kein Heim. Sie hätte keine Zeit für all die Dinge, die eine Frau ausfüllen.«
    »Mächtige Männer haben solche Dinge.«
    »Weil sie eine Frau haben.«
    »Genau«, sagte sie, als hätte sie gerade etwas bewi e sen.
    Ich schüttelte den Kopf. »Ich gehe jetzt ins Bett.«
    »Du lässt mich mit Spink allein?«, fragte sie. Sie tat so, als sei sie schockiert, aber der Blick, den sie Spink zuwarf, war eher hoffnungsvoll. Er schüttelte traurig den Kopf.
    »Nein, das tue ich nicht. Spink geht ebenfalls schlafen. Du hast gehört, w as dein Vater gesagt hat. Wir müssen früh aufstehen, um den Sechsttagsgottesdienst im Mo r gengrauen nicht zu verpassen.«
    »Wenn der gütige Gott immer bei uns ist, warum mü s sen wir dann unbedingt zu einer so schrecklich frühen Stunde zu ihm beten?«, wollte Epiny wissen.
    »Weil es unsere Pflicht ist. Es ist ein kleines Opfer, das er von uns verlangt, und wir erweisen ihm damit u n seren Respekt.«
    »Das«, sagte sie schelmisch, »war eine rhetorische Frage. Die konventionelle Antwort darauf kenne ich schon. Ich denke einfach nur, dass es keine schlechte Idee ist, wenn wir alle hin und wieder einmal darüber nachdenken. Denn genau so, wie der gütige Gott zie m lich seltsam anmutende Wünsche bezüglich dessen hat, wie die Menschen ihm ihren Respekt erweisen müssen, stellen die Männer ziemlich seltsame Ansprüche an die Frauen. Und Kinder. Willst du wirklich jetzt schon zu Bett gehen?«
    »Ja.«
    »Du möchtest nicht noch aufbleiben und

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