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Nevare 01 - Die Schamanenbrücke

Titel: Nevare 01 - Die Schamanenbrücke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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einzig ehrenhafte Handlungsweise war.
    Stattdessen begann er uns mit gerunzelter Stirn über die Unterschiede auszufragen, die zwischen Soldate n söhnen aus dem alten Adel und d enen aus dem neuen gemacht wurden, und darüber, wie Oberst Stiet die Ak a demie leitete, und sogar über seinen Sohn Caulder. Je mehr wir ihm erzählten, desto tiefer wurden die Sorge n falten auf seiner Stirn. Ich hatte nicht geahnt, was für eine Erleichterung es für mich bedeutete, mir meinen Kummer über die Ungerechtigkeiten und die Ungleic h behandlung an der Akademie von der Seele zu reden. Ich hatte immer geglaubt, die Akademie sei ein Ort, an dem Werte wie Ehre und Aufrichtigkeit besonders hochgeha l ten wurden. Es hatte sich nicht nur gezeigt, dass das nicht stimmte, sondern ich hatte auch gleich in meinem ersten Jahr dort meine eigene Ehre besudelt. Ich hatte nicht g e ahnt, wie bekümmert und wie enttäuscht ich darüber sein würde. Dies wurde mir erst jetzt bewusst, da ich die G e legenheit bekam, mich frank und frei dazu zu äußern.
    Die kleineren Dinge bedrückten mich fast genauso sehr wie die größeren Ungerechtigkeiten. Als ich meinem Onkel erzählte, dass wir Sirlofty aller Wahrscheinlichkeit nach für nichts und wieder nichts den ganzen langen Weg nach Alt-Thares mitgenommen hatten, weil ich ein Akademiepferd zugewiesen bekommen würde, lächelte er nicht, sondern nickte ernst und sagte: »Dir dieses Pferd zu schenken hat deinem Vater sehr viel bedeutet. Er glaubt, dass ein Klassepferd die erste Verteidigungslinie eines Kavallamannes ist. Er wird diese neue Regelung nicht gutheißen.« Ich war sehr erleichtert zu wissen, dass er, ein Erstgeborener, der niemals Soldat gewesen war, die Tiefe meiner Enttäuschung zu erfassen vermochte.
    Als sowohl Spink als auch ich uns alles, was uns b e drückte, von der Seele geredet hatten, lehnte er sich z u rück und seufzte schwer. Für einen Moment starrte er in die dunklen Ecken des Zimmers, als sehe er dort etwas, das unseren Blicken verborgen war. Dann wandte er den Blick wieder auf uns und lächelte traurig.
    »Die Vorgänge an der Akademie spiegeln nur das w i der, was in der weiteren Welt des Hofes vor sich geht«, sagte er. »Als König Troven einen zweiten Adelsrang schuf und ihm den gleichen Status verlieh wie dem e r sten, wusste er sehr wohl, was er tat. Indem er jene So l datensöhne in den Rang von Edelleuten erhob, gewann er ihre Herzen und versicherte sich ihrer Treue. Die alten Adelsfamilien konnten keinen Grund finden, ihnen die Aufnahme in den Rat der Herren zu verwehren. Vor la n ger Zeit haben auch wir alten Edelleute uns unseren Adelsrang auf dem Schlachtfeld erworben, ganz wie die neuen. Und Troven hat niemanden in den Adelsstand erhoben, der nicht der Zweitgeborene eines alten Ede l mannes war. Niemand konnte behaupten, dass die Mä n ner, die er in den Adelsstand erhob, von minderem Blut seien, ohne diesen Vorwurf gleichzeitig gegen ihre Adelsbrüder zu erheben. Dies spaltete viele Familien, wie Spink hier nur allzu gut weiß. In anderen Familien« – er rutschte unbehaglich auf seinem Sofa hin und her – »nun, es ist kein Zufall, dass ich euch in mein Haus ei n lade, während meine Gemahlin abwesend ist. Sie ist eine von denen, die der Meinung sind, dass ihr eigener Status dadurch an Wert verlor, dass andere in ihn erhoben wu r den.«
    Er seufzte abermals und schaute hinunter auf seine Hände, die er zwischen den Knien gefaltet hatte. Spink und ich wechselten einen Blick. Er schaute noch bestür z ter drein, als ich mich fühlte. Seit der Unterhaltung zw i schen meinem Vater und meinem Onkel am Tage unserer Ankunft in Alt-Thares hatte ich eine dunkle Ahnung, dass die Schuljungenpolitik an der Akademie in Zusa m menhang mit der größeren Unruhe unter den Edelleuten stand. Dennoch hatte ich nicht erwartet, dass mein Onkel unsere Darstellung der Situation so ernst nehmen würde. Und ich war überrascht, dass er unserem schweren Ve r stoß gegen den Ehrenkodex offensichtlich wenig G e wicht beimaß. Ich fragte mich, ob er den Ehrenkodex wirklich begriff, ob ein Mann, der nicht zum Soldaten geboren war, überhaupt ermessen konnte, welche Tra g weite ein Verstoß dagegen besaß. Ich war versucht, die schlafenden Hunde nicht zu wecken, aber mein Vater hatte mich dazu erzogen, dem Ehrbegriff höchste Bede u tung beizumessen. Ich wusste plötzlich, dass ich auße r stande sein würde, diese Schuld für die nächsten zwei Jahre mit mir herumzutragen. Ich hob

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