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Nevare 01 - Die Schamanenbrücke

Titel: Nevare 01 - Die Schamanenbrücke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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erwiderte sofort: »Nein, Sir«, und beugte mich wieder über mein eigenes Blatt. Trotz meines Aussetzers, der mir wie eine Ewigkeit vorgekommen war, aber wah r scheinlich nur eine oder zwei Minuten gedauert hatte, wurde ich rechtzeitig fertig und hatte sogar genug Zeit, um alles noch einmal durchzurechnen. Ich fand mehrere Fehler, die wahrscheinlich auf meine innere Anspannung zurückzuführen waren. Als Hauptmann Rusk verkündete: »Es ist Zeit! Geben Sie bitte alle Ihre Blätter dem Kade t ten zu Ihrer Rechten. Kadetten am Ende der Reihe, bri n gen Sie die Arbeiten bitte nach vorn zu mir«, fühlte ich mich dennoch genauso elend, als hätte ich keine der Au f gaben gelöst.
    Ich schaute niemanden an und sprach mit niemandem ein Wort, während wir unseren Klassenraum verließen und draußen für unseren Marsch über den Campus Au f stellung nahmen. Ein paar von den anderen unterhielten sich im Flüsterton über zwei von den kniffligeren Aufg a ben der Klassenarbeit, aber sowohl Spink als auch Gord schwiegen ebenso wie ich. Trotz der Kälte lief mir der Schweiß den Rücken hinunter.
    Mein Varnisch-Test ist nur noch eine verschwommene Erinnerung für mich. Wir bekamen einen technischen Text aus einem Werk über Kavallastrategie zum Übe r setzen ins Gernische und mussten danach einen Aufsatz auf Varnisch mit dem Thema »Wie pflege ich mein Pferd?« schreiben. Ich hatte das Gefühl, ganz gut z u rechtgekommen zu sein, als ich mein Heft abgab. Der Trick bei dem Aufsatz bestand natürlich darin, sich auf die Vokabeln und die Verbformen zu beschränken, die man sicher beherrschte.
    Danach hatten wir Mittagspause. Zuerst gingen wir nach Haus Carneston, um unsere Bücher und Hefte für die Vormittagsstunden gegen die Materialien einzuta u schen, die wir für den Nachmittag brauchen würden, und dann direkt zum Esssaal. Ich sprach mit niemandem ein Wort. Keinem schien mein Schweigen aufzufallen. Alle waren noch mit den Klassenarbeiten beschäftigt, die wir hinter uns hatten, und bangten denen entgegen, die uns noch bevorstanden. Falls irgendein anderer bemerkt ha t te, was sich zwischen Gord und Spink abgespielt hatte, so zog er es vor, den Mund zu halten. Die Köche hatten eine heiße und herzhafte Bohnensuppe mit einer kräft i gen Einlage aus fettem Speck zubereitet; dazu gab es fr i sches Brot. Sie roch gut, viel besser als der übliche Fraß, aber ich rührte sie kaum an. Spink schien besserer Laune zu sein, so als habe er das Schlimmste überstanden und als könne ihn das, was noch kam, nicht mehr schrecken. Ich vermied es, ihm in die Augen zu schauen, aus Angst vor dem, was ich dort vielleicht erkennen würde. Wollte ich wirklich wissen, ob mein bester Freund seine Ehre verraten und bei einer Klassenarbeit abgeschrieben hatte? Und schon in der nächsten Sekunde fragte ich mich, ob das eigentlich so schlimm wäre, wenn er es getan hatte, damit seine Kameraden – mich eingeschlossen – weiter an der Akademie studieren konnten? Heiligte der Zweck die Mittel? War die Aussonderung, wie Trist gemeint hatte, eine grausame Methode, nicht nur unser Wissen zu prüfen, sondern auch unseren Zusammenhalt? Ich musste an die Bemerkung denken, die Rusk anlässlich des Zwischenfalls mit dem zerbrochenen Bleistift gemacht ha t te: dass man sich nicht immer auf seine Kameraden verla s sen könne, aber stets dafür Sorge t ragen sollte, dass sie sich auf einen selbst verlassen konnten. War darin irgendeine versteckte Anspielung enthalten g e wesen?
    Den Zeichen- und Modellbausaal betrat ich mit zi t ternden Knien. Ich befürchtete eine ermüdende Sitzung mit Zirkeln und Richtscheit und Lineal, bei der wir i r gendeine uralte Konstruktion zerlegen und analysieren mussten. Stattdessen trafen wir Hauptmann Maw an, wie er mit frohlockender Miene über vier unordentlichen Haufen unterschiedlicher Baumaterialien stand. Er trug einen dicken Mantel und einen Hut und grinste uns alle selbstzufrieden an. Meine Angst wurde noch größer.
    »Teilen Sie sich nach Patrouillen auf. Ich habe b e schlossen, dass wir das bisher Gelernte einmal in der Praxis auf die Probe stellen. Wir werden gleich unsere Baumaterialien nach draußen und über den Campus zum Tilerbach tragen, damit wir möglichst wirklichkeitsgetreu das nachbauen können, was Sie bisher in meiner Klasse gelernt haben.
    Oft sieht sich eine Kavallapatrouille mit einem Hi n dernis konfrontiert, das überwunden werden muss: ein Fluss, eine Schlucht, eine Wüste oder ein Stück sonstwie

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