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Nevare 01 - Die Schamanenbrücke

Titel: Nevare 01 - Die Schamanenbrücke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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schaute hinaus. Das Akademi e gelände lag kalt und still da. Der Himmel war immer noch schwarz, während die letzten Sterne verblassten. Der Tag würde klar werden. Klar und kalt. Eine dünne, an vielen Stellen plattgetrampelte Schneeschicht überzog die Rasenflächen und die Äste der Bäume. Ich betracht e te die himmelwärts gereckten Zweige, und eine vage E r innerung regte sich in mir. Ich hatte geträumt, aber als ich versuchte, mich an den Traum zu erinnern, verflüc h tigten sich die Bilderfetzen. Ich schüttelte den Kopf über mich selbst und über das Akademiegelände vor mir. Es kam mir vor wie der trostloseste Ort auf der Welt. Der Schnee erschien mir seltsam fehl am Platze, geradezu missbraucht in dieser städtischen Welt. Wenn ich an e i nem ähnlichen Morgen auf dem Lande aufgewacht wäre, hätte es sich angefühlt wie ein klarer, frischer Wintertag. In Alt-Thares fühlte es an, als sei etwas schiefgegangen.
    Keiner sprach viel. Hier und da wurde gemurmelt und gemault wegen irgendetwas, aber ich glaube, jeder von uns war viel zu sehr mit seinen eigenen Ängsten beschä f tigt, um groß Lust zu verspüren, etwas zu sagen. Wir stellten uns an der üblichen Stelle auf, und der Unteroff i zier Dent erschien, um wie üblich herumzubrüllen und uns die Schuld für sein erbärmliches Leben zu geben. Ich fühlte mich matt und mutlos und fragte mich einen M o ment lang, wie ich jemals so verrückt hatte sein können, hierher zu wollen. Dies war nicht die glänzende Zukunft, die ich mir vorgestellt hatte. Dies war Elend, schlichtes, nacktes Elend. Ich fragte mich, ob Spink Recht gehabt hatte. Vielleicht würde es wirklich eine Erleichterung sein, nach Hause geschickt zu werden, für immer von allen Erwartungen entbunden. Ich gab mir einen inneren Ruck und versuchte, meine trübsinnige Stimmung abz u schütteln. Dent brummte mir eine Strafrunde auf, weil ich mich im Glied bewegt hatte. Ich bekam es nur am Rande mit.
    Wir warteten in der Kälte und der Dunkelheit, bis u n sere Kadettenoffiziere kamen und uns inspizierten. Übe r raschenderweise fanden sie kaum etwas zum Me c kern. Vielleicht fürchteten auch sie die Prüfungen, o b wohl die Oberklässler von dem Aussonderungsverfahren ausg e nommen waren. Vielleicht freuten sie sich aber auch auf den Sonderurlaub anlässlich des Dunkelabends und ha t ten Mitleid mit uns. Möglicherweise war es aber auch schlicht zu dunkel für Jaffers, um zu sehen, dass ich me i ne Jacke nicht ausgebürstet hatte und dass meine H o se die Nacht a uf dem Fußboden verbracht hatte statt im Spind an einem Kleiderbügel. Wie auch immer, nach einer kurzen, flüchtigen Begutachtung durften wir we g treten.
    Wir marschierten zu einem Frühstück, auf das ich nicht den geringsten Appetit hatte. Ich rief mir Sergeant Durils Spruch in Erinnerung: »Der Soldat, der nicht frü h stückt, wenn er die Gelegenheit dazu hat, ist ein Narr«, und zwang mich dazu, etwas zu essen. Der Einzige am Tisch, dem es zu schmecken schien, war Gord. Auch Spink stocherte lustlos in seinem Essen herum. Trist packte sich den Teller voll, aß fünf Bissen und schob dann den Rest mit angewidertem Gesicht von sich weg, als hätte er in seinem Essen eine Küchenschabe entdeckt. Normalerweise hätte der Unteroffizier Dent verlangt, dass er seinen Teller leeraß, und uns alle belehrt, dass ein Soldat, der sich erst gierig so viel Proviant erraffe, wie er könne, und diesen dann verkommen lasse, damit seinem gesamten Regiment schade. Da Dent jedoch in letzter Zeit jede Gelegenheit genutzt hatte, die sich ihm bot, um nicht mit uns am Tisch sitzen zu müssen, gab es niema n den, der uns wegen unserer nur halb leergegessenen Te l ler einen Anschiss hätte geben können.
    Wir traten an und marschierten durch einen kalten Tag, der erst jetzt allmählich grau zu werden begann, zu unserer ersten Stunde: Militärgeschichte. Als wir herei n kamen, war die ganze Tafel bereits vollgeschrieben mit Fragen in Hauptmann Infals schräger Handschrift. Er begrüßte uns mit: »Kommen Sie herein, lassen Sie Ihre Bücher geschlossen und fangen Sie sofort an mit dem Schreiben. Ich sammle Ihre Bögen nach der Stunde ein. Bis dahin will ich kein Wort hören.«
    Ich legte mein Blatt auf den Tisch und begann zu schreiben. Ich versuchte, mir die Zeit einzuteilen, um zu jeder Frage wenigstens irgendetwas zu schreiben, und kam ganz gut voran. Am Ende jeder Antwort ließ ich Platz, damit ich noch etwas hinzufügen konnte, falls die Zeit dazu

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