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Nevare 01 - Die Schamanenbrücke

Titel: Nevare 01 - Die Schamanenbrücke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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herüber und stieß mir ihren Bauchladen gegen die Brust.
    Ich wich stolpernd vor ihr zurück, verwirrt von ihrem breiten Lächeln und ihrem forschen Auftreten und sto t terte tollpatschig: »Nein, danke, Madame. Die Pfirsiche sind groß, aber sie machen einen etwas überlagerten Ei n druck.« Schallendes Gelächter brandete um mich herum auf, als hätte ich einen gelungenen Witz gerissen, wä h rend sie die Lippen schürzte und mir die Zunge herau s streckte.
    Ein maskierter Mann mit einer goldenen Pappkrone und einem billigen Mantel aus dünnem Samt, dessen N a se vom Suff gerötet war, drängte sich an mir vorbei zu der Verkäuferin. »Ich nehm gerne eine Kostprobe von deinen Früchten, meine Süße!«, grölte er, und zu meinem Entsetzen tunkte er sein Gesicht in den Bauchladen und machte laute Schmatz- und Schlürfgeräusche, während die Frau sich wand und entzückt lachte. Es dauerte einen Moment, bis bei mir der Groschen fiel. Das Oberteil und die Ärmel ihres Gewandes waren bloß auf ihre Haut g e malt, wobei ein Kragen und Aufschläge aus Spitze die Täuschung vervollständigten. Die »Pfirsiche« auf ihrem »Bauchladen« waren in Wahrheit ihre gepuderten und angemalten Brüste, die, umgeben von täuschend echt aussehenden Früchten aus Wachs, auf einem »Tablett« aus steif gemachtem Tuch ruhten. Sie war so gut wie nackt. Ich unterdrückte einen Ausruf der Verblüffung, konnte jedoch nicht anders, als in das johlende Lachen der Menge mit einzustimmen. Die Frau zappelte und quiekte, während sie ihm zuerst eine Brust darbot und dann die andere. Er zwickte die Warze der einen sanft mit den Zähnen und schüttelte sie spielerisch, was der Frau entzückte Quietschlaute entlockte. Noch nie zuvor hatte ich eine solche Zurschaustellung wollüstiger U n zucht gesehen, geschweige denn erlebt, dass Menschen dazu auch noch lauthals johlten und Anfeuerungsrufe skandierten. Plötzlich stellte ich mir Epiny an solch e i nem Ort vor, und das Lächeln wich schlagartig aus me i nem Gesicht. Einen Augenblick zuvor hatte ich sie im Trubel des Dunkelabend-Festes schon fast vergessen. Jetzt aber drehte ich mich um und drängelte mich durch den Ring der Schaulustigen. Ich musste Epiny finden, und zwar schnell!
    Aber wo sollte ich sie suchen?
    Der Verkehr in den Straßen war so zäh wie Hafe r schleim. In dem Gedränge und Geschiebe war kaum ein Vorankommen. Ich konnte nicht einmal den Ellenbogen anwinkeln, ohne jemanden anzustoßen. Die Menge war in Bewegung, und wir alle bewegten uns stockend und unendlich langsam mit ihr vorwärts. Ich war größer als die meisten, aber die ausgefallenen Hüte und phantast i schen Perücken, die viele der Festbesucher aufhatten, bildeten um mich herum einen schwankenden, auf und ab wippenden Wald. Ich konnte keine Lücke entdecken, und so s chwamm ich einfach in der Menge mit, Treibgut auf einer Woge lärmender Ausschweifung.
    Der Große Platz war das Herz von Alt-Thares. Die Kaufmannshäuser und Geschäfte, die rings um ihn herum standen, waren die höchsten und prachtvollsten der Stadt. Licht brannte in vielen der weiß umrahmten Fenster, und sobald irgendwo eine Tür aufging, barsten Musik und Lachen aus ihr hervor. Trotz der empfindlichen Kälte standen die Menschen auf Baikonen, ein Weinglas in der Hand, und schauten hinunter auf das Meer aus Frivolität unter ihnen. Die ganze Stadt war in einem regelrechten Taumel und begrüßte begeistert das Verstreichen der längsten Nacht im Jahr. Die Wohlhabenden hatten sich in ihren schönen Häusern zu Bällen und Maskenfesten und prächtigen Banketten zusammengefunden, während draußen auf den Straßen der Pöbel feierte, wie es nur die armen und arbeitenden Klassen zu tun verstehen.
    Je näher wir dem Großen Platz kamen, desto lauter wurde der Lärm. Tausende Stimmen wetteiferten mit allen Arten von Musik, den lärmenden Possen zahlloser Spaßmacher und dem lautstarken Gequassel von Mark t schreiern. Der Duft von Gebratenem und Gegrilltem stieg mir in die Nase, und ich bekam auf einmal einen solchen Hunger, dass mir fast übel wurde. Als der Mensche n strom, der mich vorwärtstrug, den Platz erreichte, ließ der Druck ein wenig nach. Zwar musste ich mir immer noch einen Weg zwischen den Possenreißern hindurch bahnen, aber ich schaffte es schließlich irgendwie, mich einer Menge anzuschließen, die sich um einen Stand drängte, an dem gegrillte Fleischspieße, geröstete Kast a nien in Zeitungspapier und gebackene Kartoffeln feilg e boten

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