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Nevare 01 - Die Schamanenbrücke

Titel: Nevare 01 - Die Schamanenbrücke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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schmuddeligen gestreiften Hemd und einer Hose aus grobem Segeltuch. Er drängelte sich durch den Strom der Besucher hastig zu uns durch, stieß Rory unsanft mit dem Ellenbogen von den Gitterstäben zurück und stieß mit einem Stachelstock nach der Fleck-Frau, wobei er sie wütend anblaffte: »Zurück, zurück!« Dann wandte er sich uns zu und herrschte uns an: »Weg vom Gitter. Gib ihnen bloß keinen Kautabak, Junge! Damit dressieren wir sie. Belohn sie nicht noch dafür, dass sie sich hier so au f führt. Zurück, Prinzessin! Und du auch, Gimpy!«
    Das junge Weibchen hatte mich völlig in Bann g e schlagen. Erst jetzt fiel mir auf, dass das jüngere Män n chen einen verkrüppelten Fuß hatte. Gimpy wich vor dem Stachelstock des Wärters zurück. Bis jetzt hatte er noch kein Wort gesagt. Als der Wärter jedoch mit seinem Stock nach Prinzessin stieß, wandte sie sich mit einem wütenden Fauchen gegen ihn und ließ einen Schwall von Beschimpfungen von der übelsten Sorte los. Sie schloss ihre Tirade mit: »Ein Wurm ist in das Loch deiner Mutter gekrochen und hat ein Ei in ihren Leib gelegt, und h e rausgekommen bist du! Deine Bäume haben keine Wu r zeln, und deine Toten sprechen nicht mit dir! Du leckst dich selbst ab und lässt dir dein Ungeziefer gut schme c ken! Du …«
    Bevor sie zu einer weiteren Beschimpfung anheben konnte, versetzte ihr das unversehrte Männchen eine schallende Backpfeife. »Schluss jetzt! Hör auf! Sei ein braves Mädchen und zeig den Herren deine Brüste.« Und während sie noch von dem Schlag zurücktaumelte, wan d te er sich an den Wärter. »Ich bin brav. Ich bin brav. T a bak, Tabak? Ein bisschen Tabak für den lieben Bettler?«
    »Na gut, aber nur ein ganz kleines Stück«, ließ der Wärter sich erweichen. Er zog einen schwarzen Priem groben Kautabaks aus der Hosentasche. Ich konnte die Melasse riechen, mit der er getränkt war. Der Wärter brach ein winziges Bröckchen von dem Priem ab und legte ihn dem Bettler auf den Handteller. Bevor der die Chance hatte, es sich in den Mund zu stecken, wurde er von Prinzessin attackiert. Sie fielen zusammen auf das Stroh auf dem Käfigboden und balgten sich um den Krümel Kautabak. Der verkrüppelte Fleck schaute zu, wobei er von seinem gesunden Fuß auf den Versehrten wippte, griff aber nicht ein. Aus der umstehenden Me n ge, die dem Gerangel zuschaute, kamen Ausrufe des En t setzens, aber auch Anfeuerungsrufe und Beifall. Der Wärter wertete es als allgemeine Zustimmung und ließ die beiden kämpfen. Dem Männchen schien es vor allem darum zu gehen, den Kautabak vor dem Zugriff des Weibchens zu retten und irgendwie in seinen Mund zu befördern, weshalb es versuchte, sich den Hieben und dem Kratzen des w ildgewordenen Weibchens so gut wie möglich zu entwinden. Der Anblick der zwei, wie sie sich nahezu nackt auf dem Boden wälzten, war gleiche r maßen beunruhigend wie erregend.
    »Kommt, hauen wir ab«, sagte ich zu meinen Kam e raden. Sie wandten sich nicht einmal zu mir um. Aber in der Kiste im hinteren Bereich des Käfigs bewegte sich jetzt etwas. Einen Augenblick später kam ein alter Mann herausgetorkelt. Ich hatte ihn bis dahin noch nicht b e merkt. Er hatte sich die Decke um die Schultern gewo r fen. Darunter trug er ein Gewand aus grober Baumwolle. Er hatte langes, ergrauendes Haar, dessen bunte Strähnen fast völlig verblichen waren, und sein Gesicht war so tief zerfurcht wie ein zerknülltes Blatt. Ich dachte, der Alte würde das sich raufende Paar zurechtweisen. Stattdessen kam er ans Gitter und musterte uns mit geröteten Augen. Er hustete, und dann spie er dunklen Speichel auf das Stroh. Dann sagte er irgendetwas in seiner Sprache. Es war eine seltsame Sprache, sehr weich und fließend, mit nur ganz wenigen Konsonanten. Der verkrüppelte Fleck kam nach vorn und stellte sich neben ihn. Er erwiderte etwas in der gleichen Sprache und wies in unsere Ric h tung. Der alte Fleck lehnte sich dicht an die Gitterstäbe und schnupperte laut. Plötzlich traf sein Blick meinen. Er lächelte, bleckte die braunen Zähne und nickte mir zu, als seien wir alte Bekannte, die sich auf der Straße bege g nen. Er streckte mir seine Hand entgegen, die geöffnete Handfläche nach oben haltend, als wolle er mich zu i r gendetwas einladen oder mich um etwas bitten.
    »Was machst du denn da?«, fragte mich Rory plöt z lich. »Ist das irgendein Zauber?«
    Ich starrte entsetzt auf meine Hand. Sie hob sich plöt z lich aus eigener Kraft, und meine Finger

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