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Nevare 01 - Die Schamanenbrücke

Titel: Nevare 01 - Die Schamanenbrücke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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Wärter war jetzt wieder ganz Marktschreier. »Diesen Tanz hat man noch nie zuvor in einer Stadt s e hen können! Und er wurde noch nie in einem Zelt aufg e führt! Der Staubtanz des Wilden Volks der Fleck. Meine Damen und Herren, hereinspaziert, hereinspaziert, lassen Sie sich diese einmalige Sensation nicht ent–«
    Seine Stimme, wiewohl laut, wurde plötzlich von dem schrillen Geheul der Fleck-Frau übertönt. Bevor ihr Schrei erstarb, nahmen die Fleck-Männer ihn auf und modulierten ihn zu einem tiefen Singsang. Sie sangen versetzt, wie bei einem Kanon, was eine seltsame, an ein Echo erinnernde Klangwirkung erzeugte. Langsam und mit schlurfenden Schritten begannen sie die Frau zu u m kreisen. Sie stand da, die Arme emporgereckt wie die Äste eines Baumes, und bewegte sich auf der Stelle hin und her, wobei sie mit einer klaren, wohlklingenden S o pranstimme sang. Es war nicht von Belang, dass wir die Sprache nicht verstanden. Ich konnte förmlich hören, wie in ihrem Lied der Wind blies und wie der Regen von den Blättern tropfte. Die Männer umkreisten sie, einmal, dann ein zweites Mal. Die Menge drängte sich noch dic h ter an den Käfig, i n Bann geschlagen von dem seltsamen Tanz und dem eigenartigen Gesang. Jetzt steckte jeder der Fleck-Männer die Hand in den Beutel und holte eine Handvoll feinen dunklen Staubes hervor. Während sie nun weiter um die Frau herumtanzten, begannen sie, mit schüttelnden Bewegungen über ihren Köpfen den Inhalt ihrer Hände herausrieseln zu lassen. Der Staub quoll zw i schen ihren Fingern hervor und blieb wie ein Schleier in der Luft hängen. Dann schwang sich die Stimme der Frau plötzlich zu einem hohen Ton auf, den sie unglaublich lange hielt. Und wieder tanzten die Männer um sie he r um, erst in einem ganz engen Kreis, dann in einem gr ö ßeren. Und wieder griffen sie in ihre Beutel und schütte l ten die Hände beim Tanzen über ihren Köpfen aus. Die Frau schwankte wie ein Baum im Wind, und ein lautes, ehrfurchtsvolles »Aaah!« ging durch die Menge, als ein geisterhafter Windstoß in scheinbarem Einklang mit dem Tanz durch das Zelt fuhr. Er wehte den in der Luft hä n genden Staub über die Zuschauer, und mehrere niesten, was kurzes Gelächter bei den um sie herum Stehenden auslöste.
    Der Tanz ging immer und immer noch weiter, und nach einer Weile wurde ich seiner überdrüssig. Aber ich konnte nicht fort. Die Menge hinter uns drückte uns g e gen die Gitterstäbe. Rory schien ganz besonders angetan und fasziniert von der Frau und ihrem Gesang zu sein. Er hielt die Stangen mit beiden Händen umklammert, als sei er derjenige, der gefangen war, gefangen von ihrer Wil d heit. Ich sah, wie der Wärter zweimal zu ihm herüber schaute, und befürchtete, dass der Mann kommen und ihm auf die Finger hauen könnte, aber der nachdrängende Mob hatte ihn ebenso fest eingekeilt wie uns.
    Das Lied der Frau und der Singsang der Männer ste i gerten sich zu einem Crescendo. Ihr langsamer, träge schlurfender Tanz wurde zu einem raschen Gang, der sich bald zum Trab steigerte, bis sie schließlich um sie herumrannten, am äußersten Rand des Käfigs entlang, sogar der alte Mann, sogar der humpelnde Fleck, und ihren Staub mit vollen Händen in die Luft warfen, bis er wie eine Wolke über dem Publikum hing. Die Leute schrien plötzlich, als ihnen der Staub in die Augen drang und dort höllisch zu brennen begann. Hustend und ni e send wandte ich den Kopf von dem Tanz weg und ve r suchte, mir einen Weg durch die nachrückende Menge zu bahnen. Es war vergeblich. Der Staub, den ich eingea t met hatte, brannte mir in der Kehle und hinterließ einen üblen Geschmack in meinem Mund. Der Wärter schrie die Fleck an, sie sollten e ndlich aufhören, und das taten sie zu meiner Verblüffung auch ganz plötzlich.
    Ohne ihren Aufseher eines Blickes zu würdigen, ve r sammelten sie sich schweigend in der Mitte ihres Geh e ges. Die Männer hielten ihre kleinen Staubsäcke mit der geöffneten Seite nach unten und schüttelten sie, aber es fiel nichts heraus. Die Frau, die in ihrer Mitte stand, legte kurz jedem von ihnen die Hand auf den Kopf, fast so, als wolle sie sie segnen. Dann drehten sie sich alle um, und ohne Notiz von der Menge zu nehmen – und von dem Regen von Geldmünzen, der auf den strohbedeckten B o den ihres Geheges niederprasselte –, zogen sie sich in ihren primitiven Verschlag zurück und kauerten sich dort nieder, sodass wir nur noch ihren gestreiften Rücken s a hen. Sie steckten

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