Nevare 01 - Die Schamanenbrücke
seien immer noch viel zu tödlich mit ihren Schwanenhälsen, und seine, meines V a ters, eigene Leute würden ihm die Hölle heiß machen, wenn er den Kidona Fernwaffen anböte. Das entsprach der Wahrheit. Allerdings erwähnte mein Vater gegenüber Dewara nicht, dass das Gesetz des Königs den Verkauf solcher Waffen an Flachländer strikt untersagte. Er wäre in Dewaras Achtung gesunken, wenn er zugegeben hätte, dass er sich einem anderen Gesetz als seinem eigenen beugte. Sonderbarerweise erinnerte er den Kidona nicht daran, dass die Berührung mit Eisen seiner Magie abträ g lich sein würde, wobei ich sicher bin, dass der Mann e i ner solchen Erinnerung nicht bedurfte.
Anstelle von Waffen und Schießpulver bot mein Vater ihm gewebte Decken, Speck und Kochgeschirr aus Ku p fer. Dewara erwiderte darauf, er sei schließlich keine Frau, dass er sich um solche Dinge wie Decken und Na h rungsmittel und Kochen kümmere. Er sei überrascht, dass mein Vater sich mit solchen Dingen befasse. Ein angesehener Krieger wie mein Vater könne doch b e stimmt zumindest Pulver beschaffen, wenn er das wolle. Mein Vater schüttelte den Kopf. Ich schwieg. Ich wusste, dass der Verkauf von Schießpulver an Flachländer ebe n falls verboten war. Sie einigten sich schließlich auf die Lieferung von einem Ballen besten Tabaks aus dem W e sten, einem Dutzend Kürschnermessern und zwei Sack Bleikugeln für Schleudern. Was letztendlich den Au s schlag für den erfolgreichen Abschluss des Handels gab, war die Zusage meines Vaters über die Lieferung von je einem Fass Salz und Zucker. Viele der unterworfenen Flachländer hatten Geschmack an Zucker gefunden, e i nem Stoff, der ihnen bis dahin so gut wie unbekannt g e wesen war. Zusammen mit den zuvor genannten Waren ergaben sie ein erkleckliches Sümmchen. Ich riskierte einen verstohlenen Blick zu Dewaras Frauen. Sie stielten sich fröhlich gegenseitig an und tuschelten hinter vorg e haltener Hand miteinander.
Mein Vater und Dewara besiegelten das Geschäft nach der Art der Kidona, indem jeder einen Knoten in einen Handelsriemen machte. Danach wandte sich Dewara mir zu und fügte dem Vertrag in barschem Jindobe ein pe r sönliches Kodizill hinzu: »Wenn du dich beklagst, schi c ke ich dich heim zu deiner Mutter. Wenn du dich einer Anweisung widersetzt oder ungehorsam bist, schi c ke ich dich mit einer Kerbe im Ohr heim zu deiner Mutter. Wenn du zusammenzuckst oder zögerst, schicke ich dich mit einer Kerbe in der Nase heim zu deiner Mu t ter. Ich werde dir dann nichts mehr beibringen, und den Tabak, das Salz, den Zucker, die Messer und die Kugeln werde ich trotzdem behalten. Dieser Klausel musst du zustimmen, Bürschchen.«
Mein Vater schaute mich an. Er nickte nicht, aber ich sah an seinem Blick, dass ich ja sagen sollte. »Ich stimme zu«, sagte ich zu Dewara. »Ich werde mich nicht bekl a gen oder ungehorsam sein oder mich Ihren Befehlen w i dersetzen. Auch werde ich nicht zusammenzucken oder zaudern.«
Der Krieger nickte. Dann schlug er mir mit der flachen Hand hart ins Gesicht. Ich sah den Schlag kommen, und ich hätte ihm ausweichen oder den Kopf zurückwerfen können, um ihm seine Wucht zu nehmen. Obwohl ich ihn nicht erwartet, sagte mir irgendein Instinkt, dass ich ihn hinnehmen sollte. Meine Wange brannte, und ich fühlte, wie mir das Blut aus dem Mundwinkel lief. Ich sagte kein Wort, während ich den Schlag verdaute, sondern schaute Dewara in die Augen. Aus dem Augenwinkel sah ich den grimmigen Blick meines Vaters. In seinen Augen lag ein Funkeln. Ich glaubte, ebenso Stolz wie Wut aus ihnen herauszulesen. Dann ergriff er das Wort.
»Mein Sohn ist weder ein Feigling noch ein Schwäc h ling, Dewara. Er ist der Unterweisung und Ausbildung, die du ihm erteilen wirst, würdig.«
»Wir werden sehen«, sagte Dewara leise. Er schaute zu seinen Frauen und bellte etwas auf Kidona. Dann wandte er sich wieder meinem Vater zu. »Sie folgen dir, holen meine Sachen ab und gehen damit zurück zu me i nem Haus. Heute.«
Es war eine Frechheit von ihm, die Ehre meines V a ters auf diese Weise in Zweifel zu ziehen. Würde er, D e wara, seinen Teil der Abrede einhalten, wenn er seinen Lohn bereits erhalten hatte? Mein Vater schaffte es i r gendwie, nicht mehr als gelinde Überraschung zu zeigen. »Natürlich tun sie das.«
»Dann behalte ich deinen Sohn hier.« Der Blick, mit dem er mich dabei ansah, war abschätzend, kälter als j e der Blick, den ich je gesehen h atte Ich hatte die strenge
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