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Nevare 01 - Die Schamanenbrücke

Titel: Nevare 01 - Die Schamanenbrücke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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Gelegenheiten nahm mein Vater uns auf seine morgendliche Runde um sein Anwesen mit. Deshalb glaubte ich, dass auch dieser Ritt ein solcher Ausflug werden würde. Normalerweise waren diese Au s ritte sehr angenehm. Wir ließen uns viel Zeit, aßen bei einem der Aufseher meines Vaters zu Mittag und mac h ten Station an diversen Hütten und Zelten, um uns mit den Hirten und den Plantagenarbeitern zu unterhalten. Deshalb nahm ich auch diesmal nicht mehr mit als das, was ich sonst bei einem Vergnügungsritt dabei hatte. Da es ein milder Frühlingstag war, nahm ich nicht einmal einen schweren Mantel mit, sondern nur meine leichte Jacke und meinen breitkrempigen Hut zum Schutz vor dem prallen Sonnenlicht. In einer Gegend wie der uns e ren ritt nur ein Narr unbewaffnet los. Ich nahm zwar kein Gewehr und keine Pistole mit, aber an meiner Hüfte hing ein Kavalleriesäbel. Er war alt und abgenutzt, aber er erfüllte immer noch seinen Zweck.
    Mein Vater ritt zu meiner Linken, Sergeant Duril zu meiner Rechten. Es kam mir merkwürdig vor, so, als würden sie .mich irgendwohin eskortieren. Der Sergeant machte ein mürrisches Gesicht. Er war oft schweigsam, aber sein Schweigen an diesem Morgen war das Ergebnis unterdrückten Missmuts. Es kam nicht oft vor, dass er mit meinem Vater w egen irgendetwas uneins war, und es erfüllte mich gleichermaßen mit Angst wie mit Neugier.
    Als wir weit genug vom Haus weg waren, eröffnete mir mein Vater, dass ich heute einen Kidona-Flachländer kennenlernen würde. Wie er es oft tat, wenn wir über bestimmte Stämme redeten, klärte mein Vater mich über die Höflichkeits- und Umgangsformen der Kidona auf und schärfte mir ein, dass meine Begegnung mit Dewara eine Sache unter Männern sei, etwas, das meine Mutter und meine Schwestern nichts angehe und das ich deshalb ihnen gegenüber auch nicht erwähnen dürfe. Auf der A n höhe über dem Lager des Flachländers hielten wir an und blickten hinunter. Dewaras Unterkunft war eine kuppe l förmige Schutzhütte aus Höckerhirschhäuten, die mit Pflöcken auf einen Korbrahmen gespannt waren. Die Häute waren mit den Haaren darauf getrocknet worden, damit das Wasser besser davon abperlte. Die drei Reitti e re des Kidona waren gleich daneben angepflockt. Es w a ren die berühmten Pferde mit den schwarzen Schnauzen, den runden, tonnenförmigen Bäuchen und den gestreiften Beinen, wie nur die Kidona sie züchten. Ihre Mähnen waren steif und schwarz wie Kaminbürsten, und ihre Schwänze erinnerten mich mehr an die von Kühen als an die von Pferden. Ein Stück abseits standen zwei Kidona-Frauen geduldig neben einem zweirädrigen Karren. Ein viertes Tier scharrte müde zwischen den Deichseln des hochrädrigen Gefährts. Der Karren war leer.
    Ein kleines rauchloses Feuer brannte vor dem Zelt. Dewara selbst stand vor dem Zelt, die Arme über der Brust verschränkt, und schaute zu uns herauf. Er bemer k te uns nicht erst, als wir kamen; er stand bereits da und schaute in unsere Richtung, als wir in seinem Blickfeld auftauchten. Dass er von unserem Kommen gewusst ha t te, jagte mir einen Schauer über den Rücken.
    »Sergeant, Sie können hier warten«, sagte mein Vater leise.
    Duril kaute einen Moment an seiner Oberlippe und sagte dann: »Sir, ich wäre lieber näher am Geschehen. Für den Fall, dass ich gebraucht werde.«
    Mein Vater sah ihm direkt ins Gesicht. »Es gibt b e stimmte Dinge, die kann er nicht von mir oder von Ihnen lernen. Bestimmte Dinge kann man nicht von einem Freund lernen; man kann sie nur von einem Feind le r nen.«
    »Aber, Sir …«
    »Warten Sie hier, Sergeant«, wiederholte mein Vater in einem Tonfall der deutlich machte, dass das Thema damit für ihn beendet war. »Nevare, du kommst mit mir.« Er hob die Hand zum Gruß, die Innenfläche nach vorn gewandt, und der Flachländer unten erwiderte den Gruß. Mit einem leichten Druck seiner Schenkel setzte mein Vater sein Pferd in Bewegung und ritt den Hang hinunter zum Lager des Kidona. Ich sah Sergeant Duril fragend an, aber er starrte an mir vorbei, den Mund zu einem dünnen Strich zusammengekniffen. Ich nickte ihm trotzdem zu und folgte dann meinem Vater. Am Boden der Senke angekommen, saßen wir ab und ließen die Z ü gel unserer Pferde los, im Vertrauen darauf, dass unsere gut ausgebildeten Tiere schon nicht weglaufen würden. »Komm, wenn ich dir das Zeichen dazu gebe«, sagte mein Vater leise zu mir. »Bis dahin bleib ruhig bei den Pferden stehen. Halte den Blick auf mich

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