Nevare 01 - Die Schamanenbrücke
Disziplin meines Vaters und Sergeant Durils körperliche Herausforderungen und Züchtigungen ausgehalten. Der Blick, mit dem Dewara mich maß, verhieß Schlimmeres. »Nimm sein Pferd, nimm sein Messer und sein Langme s ser. Du lässt ihn hier bei mir. Ich werde ihn unterwe i sen.«
Ich glaube, wenn ich meinen Vater um Erbarmen hätte anflehen können, ohne uns beide damit vor dem Flac h länder bloßzustellen, hätte ich das getan. Es kam mir vor, als würde ich mich bis zur Nacktheit entblößen, als ich mein Messer vom Gürtel nahm und es meinem Vater übergab. Jegliches Gefühl wich mir aus den Gliedern, und ich fragte mich, was Dewara mich wohl so Wicht i ges lehren konnte, dass mein Vater mich dafür unb e waffnet in der Hand seines alten Feindes zurückließ. Mein Vater nahm das Messer kommentarlos von mir en t gegen. Er hatte mir von der Zähigkeit der Kidona erzählt, von ihrem Überlebenswillen und ihrer Auffassung, dass die beste Waffe, die ein Soldat haben könne, sein Feind sei. Die Grausamkeit der Kidona war legendär, und ich wusste, dass Dewara immer noch die Narbe der Eisenk u gel trug, die seine rechte Schulter durchbohrt hatte. Mein Vater hatte auf ihn geschossen, ihn in Eisen gelegt und ihn während der letzten Monate von König Trovens Krieg mit den Kidona als Geisel gehalten. Allein dank der Kunst des Kavalleriearztes hatte Dewara sowohl se i ne Verletzung überlebt als auch die Blutvergiftung, die danach eingetreten war. Ich fragte mich, ob er meinem Vater gegenüber eine Dankesschuld oder eher Racheg e lüste empfand.
Schließlich schnallte ich den abgewetzten Gürtel ab, der den alten Kavalleriesäbel trug. Als ich ihn um den Säbel schlang, um beides meinem Vater zu übergeben, beugte sich Dewara plötzlich vor und riss ihn mir aus den Händen. Ich musste an mich halten, um ihm die Waffe nicht wieder zu entwinden. Mein Vater starrte ihn mit ausdruckslosem Gesicht an, während er die Klinge aus der Scheide zog und seinen Daumen über die flache Seite gleiten ließ. Er schnaubte verächtlich. »Dort, wo wir hi n gehen, wird dir das hier nichts nützen. Lass es hier. Vie l leicht kommst du eines Tages zurück, um es dir wiede r zuholen.« Er packte die Klinge fest beim Heft und ram m te sie in die Erde. Als er sie losließ, stand sie da wie ein Grabmal. Die Scheide warf er daneben in den Schmutz. Eine eisige Kälte kroch mir den Rücken hoch.
Mein Vater berührte mich nicht, als er mir Lebewohl sagte. Sein väterlicher Blick beruhigte mich und gab mir Kraft. »Mach mich stolz auf d ich, mein Sohn«, sagte er. Dann stieg er auf sein Pferd Stahlschenkel und führte Sirlofty weg. Er wählte eine bequemere Route als die, auf der wir gekommen waren, wohl aus Rücksicht auf die Frauen, die ihm in ihrem hochrädrigen Karren folgten. Alsbald stand ich allein neben dem Kidona, mit nicht mehr als den Kleidern, die ich am Leibe trug. Ich wollte ihm nachschauen, wollte sehen, ob Sergeant Duril seinen Wachtposten verließ und ihnen folgte, aber ich traute mich nicht. So sehr ich die strenge, argusäugige Aufsicht, die Duril stets über mich geführt hatte, oft gehasst hatte, an jenem Tag sehnte ich mich nach einem Wächter, der zu mir herabgeschaut hätte. Dewara musterte mich mit seinen stahlgrauen Augen. Nachdem eine schier endlose Zeitspanne verstrichen war, der Hufschlag und das G e räusch der Räder längst verhallt waren, schürzte er die Lippen und fragte mich: »Du reiten gut?«
Er sprach nur ein sehr gebrochen Gemisch. Ich an t wortete in meinem nicht minder holprigen Jindobe: »Mein Vater hat mir Reiten gelernt.«
Dewara schnaubte verächtlich und wählte erneut G e misch, als er zu mir sprach: »Dein Vater zeigen dir wie sitzen auf Sattel. Ich lehren dich wie reiten auf Taldi . Steig auf.« Er zeigte auf die drei Tiere. Als wüssten sie, dass wir über sie sprachen, hoben sie alle drei den Kopf und schauten zu uns herüber. Jedes einzelne legte mis s vergnügt die Ohren an.
»Welches Taldi?«, fragte ich auf Jindobe.
»Du wählen, Soldatenjunge. Ich glaube, ich bringe dir auch Sprechen bei.« Die letzte Bemerkung äußerte er in der Handelssprache. Ich fragte mich, ob ich mit meinem Versuch, mit ihm in der Handelssprache zu reden, Boden bei ihm gutgemacht hatte. Aus seiner unversöhnlichen Miene war jedenfalls nichts herauszulesen.
Ich wählte die Stute, weil ich sie für das fügsamste der drei Reittiere hielt. Sie ließ mich erst näher an sich heran, als es mir gelungen war, ihre Leine
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