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Nevare 01 - Die Schamanenbrücke

Titel: Nevare 01 - Die Schamanenbrücke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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gerichtet.«
    Mein Vater trat mit ernster, würdevoller Miene auf den Flachländer zu, und die einstigen Feinde begrüßten sich mit großem Respekt. Mein Vater hatte mir zuvor eingeschärft, dem Kidona mit der gleichen Ehrerbietung entgegenzutreten, wie ich sie meinen Lehrern entgege n brachte. Als Jüngling, der ich war, sollte ich den Kopf zur linken Schulter neigen, wenn ich ihn grüßte, und ich sollte niemals in seiner Gegenwart spucken oder ihm den Rücken zukehren, denn so seien die Umgangsformen seines Volkes. Wie mein Vater es mir gesagt hatte, blieb ich still stehen und wandte den Blick nicht eine Sekunde von ihm, während ich wartete. Sergeant Durils Blick, der auf meinem Rücken ruhte, konnte ich fast körperlich sp ü ren, aber ich drehte mich nicht zu ihm um.
    Die beiden sprachen eine Weile miteinander. Sie spr a chen leise, und sie benutzten die Handelssprache, so dass ich wenig von dem Gespräch verstand. Ich wusste nur, dass sie von einem Geschäft sprachen. Schließlich gab mir mein Vater ein Zeichen. Ich trat zu ihm und neigte den Kopf nach links, wie er es mir befohlen hatte. Ich zögerte. Sollte ich dem Kidona auch die Hand geben? Dewara jedenfalls bot mir seine Hand nicht an, also b e hielt ich auch meine an meiner Seite. Der Flachländer lächelte nicht, aber er musterte mich unverhohlen, als wäre ich ein Pferd, das er zu kaufen erwog. Ich nutzte die Gelegenheit, um ihn ebenso offen zu betrachten. Bis d a hin hatte ich noch nie einen Kidona gesehen.
    Er war kleiner und drahtiger als die Flachländer, die ich kannte. Die Kidona waren Jäger gewesen, keine Hi r ten. Sie hatten alle anderen Völkerschaften der Flachla n de als ihre rechtmäßige Beute betrachtet. Die anderen Flachländer hatten sich vor ihren Überfällen gefürchtet. Von allen unseren Feinden waren die Kidona am schwe r sten zu unterwerfen gewesen. Sie waren ein hartes, gra u sames Volk. Einmal, nachdem die gernischen Reitertru p pen den Stamm der Rew bereits besiegt hatten, waren die Kidona in das Stammesgebiet eingefallen und hatten dem demoralisierten, ausgebluteten Volk das Wenige geraubt, was ihm noch geblieben war. Angesichts ihrer unerbittl i chen Wildheit sprach mein Vater von den Kidona mit kopfschüttelnder Ehrfurcht. Sergeant Duril hasste sie noch immer.
    Während seiner Jäger- und Räuberjahre aß ein Kid o na-Mann ausschließlich Fleisch, und nicht wenige von ihnen feilten sich ihre Vorderzähne spitz. Auch Dewara hatte das getan. Er trug einen Umhang, der aus dünnen Lederstreifen gewebt war, wahrscheinlich von Kani n chen. Einige der Streifen waren so eingefärbt, dass sie ein Hufeisenmuster auf dem Gewebe bildeten. Er trug eine weite braune Hose und ein langärmeliges weißes Hemd, das ihm gerade über die Hüften reichte. Es wurde von einem geflochtenen, mit Perlen besetzten Gürtel gehalten. Seine Füße steckten in flachen Stiefeln aus weichem grauem Leder. Sein Kopf war bloß und sein stahlgraues Haar zu einer kurzen Bürste gestutzt, die mich an die aufgestellten Nackenhaare eines Hundes oder auch an die borstige Mähne seines Pferdes erinnerte. An seiner Hüfte hing eine krumme Klinge: der kurze, tödliche bronzene Schwanenhals seines Volkes, ebenso sehr Werkzeug wie Waffe. Das Heft war mit feinen Zö p fen aus Menschenhaar in unterschiedlichen Farbschatti e rungen umwickelt. Als ich ihn kennenlernte, dachte ich, es seien Trophäen. Später würde er mir erklären, dass solche Waffen vom Vater auf den Sohn vererbt wurden und dass die Haarzöpfe der Segen seiner Ahnen waren, der mit dem Schwanenhals weitergegeben wurde. Eine solche Klinge war scharf genug, um im Kampf den Feind zu töten, und zugleich robust genug, um damit Fleisch für den Topf und die Pfanne klein zu hacken. Sie war eine beeindruckende Waffe und ein nützliches Werkzeug – die beste Waffe, die ein Kidona benutzen konnte, ohne auf Eisen zurückgreifen zu müssen.
    Nachdem Dewara mich ausgiebig betrachtet hatte, widmete er seine Aufmerksamkeit wieder voll und ganz meinem Vater. In fließendem Jindobe feilschten sie um den Betrag, den der Flachländer für meine Unterweisung erhalten würde. Erst jetzt begriff ich, dass das der Grund für dieses Treffen war. Da meine Kenntnisse in der Ha n delssprache noch recht dürftig waren, musste ich sehr aufmerksam zuhören, um ihre Unterhaltung zu verstehen. Als Erstes verlangte Dewara Gewehre für seine Leute. Mein Vater verweigerte sie ihm, verpackte dies aber in ein Kompliment: Seine Krieger

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