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Nevare 01 - Die Schamanenbrücke

Titel: Nevare 01 - Die Schamanenbrücke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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sich in Träumereien von den Heimen und F a milien zu ergehen, die sie eines Tages ihr eigen nennen würden. Bei diesen abendlichen Unterhaltungen leistete ich ihnen oft Gesellschaft.
    Ich wusste, wenn Mutter sie rief, würde sie sich als Nächstes fragen, wo ich wohl stecken mochte. Also ve r ließ ich mein Versteck unter dem Fenster und folgte dem Kiespfad zur Vordertür unseres Hauses. Unbemerkt schlüpfte ich durch die Tür und huschte nach oben in mein Unterrichtszimmer. An jenem Abend verschwend e te ich keinen Gedanken mehr an die Fleckseuche, aber am nächsten Tag löcherte ich Sergeant Duril mit der Fr a ge, ob er glaube, dass die Qualität von Fußsoldaten seit der Zeit, da er und mein Vater zusammen an der Grenze gedient hatten, nachgelassen habe. Wie ich es nicht a n ders erwartet hatte, antwortete er, dass die Qualität des Soldaten direkt die Qualität des Offiziers widerspiegele, der ihn befehligte, und dass der beste Weg für mich, s i cherzustellen, dass die, die mir folgten, aufrechte Männer seien, der sei, selbst ein aufrechter Mann zu sein. Auch wenn ich diesen Rat schon oft zuvor gehört hatte, nahm ich ihn mir doch zu Herzen.

3. Dewara
     
    Die Jahreszeiten kamen und gingen, und ich wuchs he r an. Im langen Sommer meines zwölften Lebensjahres hatte ich noch der ganzen Geduld Sirloftys und der g e samten Sprungkraft bedurft, die meine Knabenbeine b e saßen, um mich vom Boden aus auf seinen Rücken zu hangeln. Jetzt, mit fünfzehn, konnte ich die Hände flach auf den Rücken meines Pferdes legen und mich elegant darauf schwingen, ohne mit den Beinen zu zappeln. Es war eine Veränderung, über die wir uns beide freuten.
    Das war nicht die einzige Veränderung in meinem L e ben. Mein schmächtiger, ewig schmollender Tutor war von zwei weiteren abgelöst worden, nachdem mein Vater die Anforderungen, die er an meine Ausbildung stellte, verschärft hatte. Für meine nachmittäglichen Lektionen hatte ich jetzt zwei Hauslehrer, und ich wagte es nicht mehr, zu spät zum Unterricht zu erscheinen. Einer davon war ein dürrer alter Mann mit streng zurückgebundenen weißen Locken und gelben Zähnen, der mich Taktik, L o gik und Varnisch lehrte, die förmliche Sprache unseres alten Mutterlandes, unter ausgiebiger Zuhilfenahme eines höchst biegsamen Rohrstocks, den er nie aus der Hand zu legen schien. Ich glaube, dass Meister Rorton sich haup t sächlich von Knoblauch und Paprika ernährte, und er trieb mich fast in den Wahnsinn damit, dass er ständig hinter mir stand und mir über die Schulter schaute, wenn ich an meinem Pult kauerte und schrieb, damit ihm nur ja kein einziger Federstrich von mir entging.
    Meister Leibsen war ein riesiger, ungeschlachter Kerl aus dem fernen Westen, der mich sowohl in der Theorie als auch in der Praxis meiner Waffen unterwies. Ich konnte jetzt einigermaßen gut schießen, im stehenden wie im liegenden Anschlag, mit der Pistole wie mit der Langwaffe. Er brachte mir bei, die Pulvermenge mit dem Auge so genau zu bemessen, wie die meisten es nur mit der Waage vermochten, und meine eigenen Kugeln zu gießen. Auch lehrte er mich, meine Waffen gut in Schuss zu halten und eigenhändig zu reparieren. Das Gießen ging natürlich nur bei Bleikugeln. Die teureren Eisenk u geln, die uns einst geholfen h atten, die Flachländer zu bezwingen, konnte nur ein tüchtiger Schmied herstellen. Mein Vater sah keinen Grund, warum ich die teure Mun i tion für das Schießen auf Scheiben vergeuden sollte. Von Meister Leibsen lernte ich auch Boxen, Ringen, Stoc k fechten und – ganz im Geheimen, nachdem ich lange auf ihn eingeredet hatte – Messerwerfen und Messerkampf. Ich liebte meine Lektionen bei Meister Leibsen ebenso sehr, wie ich die zähen Nachmittage bei Meister Rorton mit seinem Rohrstock und seinem übelriechenden Atem hasste.
    Im Frühling meines sechzehnten Jahres hatte ich noch einen weiteren Lehrer. Er blieb nicht lange, aber er war trotzdem derjenige, der mir von allen am nachhaltigsten in Erinnerung blieb. Er schlug sein kleines Zelt im Schutze einer Senke nahe dem Fluss auf und näherte sich nicht ein einziges Mal dem Wohnhaus. Meine Mutter wäre ebenso entsetzt wie gekränkt gewesen, hätte sie von seiner Anwesenheit nur zwei Meilen entfernt von ihren zarten Töchtern gewusst. Er war ein Flachland-Wilder und der einstige Feind meines Vaters.
    An dem Tag, an dem ich Dewara begegnen sollte, ritt ich nichtsahnend mit meinem Vater und Sergeant Duril aus. Bei seltenen

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