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Nevare 01 - Die Schamanenbrücke

Titel: Nevare 01 - Die Schamanenbrücke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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zu erhaschen und sie dazu zu zwingen, dass sie still hielt. Je weiter ich mich den Tieren näherte, desto klarer wurde mir, dass es keine richtigen Pferde waren, sondern irgendetwas, das Pferden ähnelte. Die Stute drückte ihren Unwillen nicht mit e i nem Wiehern aus, sondern kreischte auf eine Art, wie ich es noch nie bei einem Pferd gehört hatte. Zweimal biss sie mich, als ich aufsaß, einmal in den Arm und einmal ins Bein. Ihre stumpfen Zähne rissen mir zwar nicht die Haut auf, aber ich wusste, dass ich die Quetschungen, die sie mir beibrachte, noch lange spüren würde. Sie schnaubte, keilte aus und stieg hoch, während ich noch versuchte die beste Sitzposition auf ihrem Rücken zu finden. Nur mit großer Mühe gelang es mir, mich auf ihr zu halten. Sie drehte den Kopf zur Seite, um erneut nach mir zu schnappen, aber ich brachte mein Bein außer Reichweite ihrer Zähne. Dabei stieg sie erneut hoch, und ich war sicher, dass sie mit voller Absicht versuchte, mich abzuwerfen. Ich nahm sie nun fest mit meinen Schenkeln in die Zange und gab keinen Laut von mir. Sie keilte zwei weitere Male aus, aber ich hielt mich unbeirrt auf ihr. Ich versuchte, ihre schlechten Manieren zu ign o rieren, denn ich wusste nicht, wie Dewara reagieren wü r de, sollte ich eines seiner Reittiere züchtigen.
    »Kiekscha!«, rief Dewara, und sie wurde auf der Stelle ruhig. Ich ließ mich dadurch freilich nicht dazu verleiten, den Druck meiner Schenkel zu lockern. Ihr Bauch war rund, ihre Haut glatt. Das einzige Geschirr, das sie trug, war ein Hackamore. Es war nicht das erste Mal, dass ich auf einem Reittier saß, das keinen Sattel trug, aber ich hatte noch nie auf einem mit einem solchen Körperbau gesessen.
    Dewara nickte missmutig. Dann sagte er: »Sie heißt Kiekscha. Du sag ihr Name bevor du aufsteig, sie g e horcht dir. Du sag nicht ihr Name, sie weiß, du nicht darf aufsteig. Alle meine Pferde so. Hier lang.« Er wandte sich zu einem der anderen Taldis um. »Dedem. Steh!«
    Das Tier, das er angesprochen hatte, richtete die Ohren auf und kam zu ihm. Der Flachländer schwang sich lässig auf den rundbäuchigen Hengst. »Folg«, sagte er und gab ihm einen Klaps auf das Hinterteil. Dedem schoss vo r wärts und fiel sofort in einen scharfen Galopp. Ich starrte ihnen überrascht hinterher. Dann folgte ich Dewaras Be i spiel und gab Kiekscha einen Klaps, woraufhin sie sich unverzüglich in Bewegung setzte.
    Zunächst blieb mir nichts anderes zu tun, als mich an Kiekschas Mähne festzukrallen. Ich wurde in die Höhe geschleuderte, durchgeschüttelt und hin und her gewo r fen, als wäre ich eine Stoffpuppe, die jemand einem Hund an den Schwanz gebunden hatte. Jedes Mal, wenn einer ihrer Hufe den Boden berührte, wurde mein Rüc k grat mit solcher Wucht zusammengestaucht, dass mir der Schmerz bis in die Haarspitzen schoss. Zweimal war ich sicher, dass ich herunterfallen würde, aber die Stute verstand ihr Geschäft besser als ich. Bei den nächsten Galoppsprüngen, die sie machte, schien sie in dem M o ment, wo sie den Boden berührte, mit dem Rücken leicht unter mir nachzugeben, als wolle sie die Stöße abfedern. Ich entschloss mich, ihr zu vertrauen. Ich verlagerte mein Gewicht und lockerte den Druck meiner Schenkel, gab mich ihrem Rhythmus hin, und plötzlich bewegten wir uns, als wären wir eine Einheit. Sie schnellte vorwärts, und ich hatte das Gefühl, als hätte sich unsere Geschwi n digkeit schier verdoppelt. Dewara war inzwischen nur noch ein Punkt in der Ferne. Er hatte sich vom Fluss en t fernt und war in das Ödland eingetaucht, das an den B e sitz meines Vaters grenzte. Das Gelände stieg dort an, und die felsigen Hügel waren durchfurcht von schroffen, steilwandigen Schluchten, die sich bei Regen oft in re i ßende Sturzbäche verwandelten. Wind und Regen hatten dieses Land geformt. Dürre Büsche mit graugrünen Blä t tern sprossen aus Spalten in den Felsen, die von blassvi o letten Flechten überzogen waren. Der Staub, den die H u fe von Dewaras Pferd aufwirbelten, hing in der Luft und brannte mir in den Augen. Dewara ließ sein Pferd in vo l lem Galopp querfeldein durch ein Gelände sprengen, in das ich mich mit Sirlofty niemals getraut hätte. Ich folgte ihm, sicher, dass er sein Reittier bald würde zügeln mü s sen, damit es verschnaufen konnte. Aber das tat er nicht.
    Meine kleine Stute machte stetig Boden gut. Als wir in unwegsameres Gelände kamen und den Aufstieg zu den Hochplateaus der Region in Angriff nahmen,

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