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Nevare 01 - Die Schamanenbrücke

Titel: Nevare 01 - Die Schamanenbrücke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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kommen sollte?« Meine Stimme klang kühler, als ich beabsichtigt hatte. Die Erinnerung an die Baumfrau ließ mich frösteln. Ich hatte sie geliebt. Ich hatte sie gehasst. Ich hatte sie getötet.
    Ein Zittern erfasste Caulders Unterlippe. Für einen kurzen Moment glaubte ich, er würde anfangen zu we i nen. Aber dann nahm er sich zusammen und sagte mit fester, beinahe wütend klingender Stimme: »Ich habe dir die Botschaft geschickt, weil mein Vater es von mir ve r langte. Ich hatte ihm gestanden, dass ich gelogen hatte, dass nicht du es warst, der mich betrunken gemacht hat. Er sagte, ich müsse dir persönlich schreiben, und wenn du kämest, müsse ich mich bei dir entschuldigen. Das tue ich hiermit. Ich bitte um Entschuldigung, Nevare Burve l le.« Er tat einen tiefen, zittrigen Atemzug. Während mir noch schwindlig war nach dieser Enthüllung, fügte er leise hinzu: »Und ich habe ihm auch den Rest gestanden, das mit Jaris und Ordo. Dass sie es waren, die den dicken Kadetten und Leutnant Tiber zusammengeschlagen h a ben. Auch dafür möchte ich mich entschuldigen. Aber ungeachtet dieses Briefes, zu dem mein Vater mich g e drängt hat, wollte ich selbst auch, dass du kommst. Es gibt da noch etwas, das ich dir sagen muss.«
    Er starrte mich an, und das Schweigen zog sich ung e mütlich in die Länge. Ich glaube, er wartete darauf, dass ich irgendetwas erwiderte. Schließlich sagte er mit leiser, belegter Stimme: »Danke, dass du mich zurück über die Brücke geschickt hast. Wenn du das nicht getan hättest, wäre ich zu jenem Ort weitergangen. Ich wäre gesto r ben.« Er schlang sich plötzlich die Arme um den Obe r körper und begann heftig zu zittern. »Ich habe versucht, meinem Vater davon zu erzählen, aber er wird bloß w ü tend, wenn ich damit anfange. Aber ich weiß … Das heißt …« Er hielt inne und sah sich verzweifelt im Zi m mer um, als wolle er sich vergewissern, dass es auch wirklich existierte. Sein Zittern wurde noch stärker. »Was ist real? Ist diese Welt hier realer als jene andere? Kann die ganze Welt plötzlich um dich herum ve r schwinden und einer anderen Platz machen? Darüber grüble ich jetzt ständig nach. Ich kann nachts nicht gut schlafen. Mein Vater und der Doktor geben mir Arznei, damit mir die Augen zufallen, aber das ist nicht dasselbe wie schlafen, nicht wahr?«
    »Beruhige dich, Caulder. Du bist in Sicherheit.«
    »Bin ich das wirklich? Bist du das? Glaubst du nicht, sie könnte ganz einfach die Hand ausstrecken und uns beide zurückholen, wenn sie das wollte?« Er begann laut zu weinen.
    Ich ging zur Tür und hielt draußen in der Diele nach Hilfe Ausschau. Niemand war zu sehen. »Caulder fühlt sich nicht gut!«, rief ich laut.
    »Könnte bitte jemand kommen und sich um ihn kü m mern?« Ich ging zurück zu seinem Bett und legte ihm eine Hand auf die Schulter. Ich empfand keine Wärme für ihn, nur Besorgnis. »Sie ist weg, Caulder. Für immer. Beruhige dich. Gleich wird jemand kommen und sich um dich kümmern.«
    »Nein!«, heulte Caulder. »Nein! Sie werden mich nur wieder betäuben! Nevare, bitte! Ruf sie nicht. Ich beruh i ge mich auch sofort wieder! Siehst du? Ich bin schon wieder ganz ruhig.« Er schlang sich die Arme noch fester um den Oberkörper und hielt die Luft an, um sein Schluchzen zu unterdrücken.
    Ich hörte eine Tür auf und zu gehen und dann Schritte in der Diele. Sie schienen nur sehr langsam näherz u kommen. Verzweifelt überlegte ich, wie ich Caulder von seiner Panik ablenken konnte. Ich hatte keine Lust, vo r geworfen zu bekommen, ich hätte einen Invaliden in die Hysterie getrieben. Hilflos fragte ich: »Wohin werdet ihr jetzt gehen? Auf einen Familienbesitz?«
    Es war die falsche Frage. »Mein Vater, ja, und er wird meine Mutter mitnehmen. Aber mich schickt er fort. Ich tauge jetzt zu nichts mehr. Er hasst mich. Er sagt, ich zittere wie ein Schoßhündchen und hätte vor jeder Stau b flocke Angst. Ein Soldatensohn, der niemals Soldat sein wird. Wozu bin ich dann noch nutze?« Er hob den Stein hoch und legte ihn wieder hin. »Er war wütend, dass ich ihn dir gestohlen habe. Er glaubt, er würde mich dadurch bestrafen, dass er mich zu meinem Onkel schickt. Onkel Car hat geschrieben, er nehme mich gerne bei sich auf, und er würde mich sogar adoptieren, damit er einen eig e nen Sohn als Nachfolger hat. Er sagt, ein Gelehrtensohn brauche keine starken Arme oder großen Mut, sondern nur einen wachen und gesunden Verstand. Ich fürchte, nicht einmal den

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