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Nevare 01 - Die Schamanenbrücke

Titel: Nevare 01 - Die Schamanenbrücke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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dacht, die Haut der Fleck sei mit kleinen Malen bedeckt, ähnlich wie Sommersprossen. Aber diese alte Frau war ungleichmäßig gesprenkelt, ähnlich einer gescheckten Kuh oder einer gestreiften Katze, nur dass die Streifen eben unterbrochen waren, so dass Flecken und Tüpfel zurückblieben. Ein dunkler, durchgehender Streifen zog sich über ihren Nasenrücken. Dunkle Streifen gingen strahlenförmig von ihren Augenwinkeln aus. Ihre Han d rücken und ihre Finger waren dunkel, wie die schwarzen Füße einer Katze, aber auf ihren Unterarmen war die Farbe verblasst.
    Fasziniert ging ich noch ein Stück näher an sie heran, wobei ich beinahe Dewaras Warnungen vergessen hätte. Die Art und Weise, wie ich mich ihr näherte, erinnerte mehr an eine neugierige Katze als an einen vorsichtig sich anpirschenden Krieger. Ihr Gesicht war ruhig, es wirkte gleichzeitig gelassen und würdevoll. Jetzt, aus größerer Nähe betrachtet, erschien sie mir nicht mehr alt, sondern eher zeitlos. Ihr Gesicht war runzlig, aber es w a ren die freundlichen Runzeln einer Frau, die oft lächelte und Freude am Leben hatte. Bei einer Frau meines eig e nen Volkes hätte ich mich von ihren Fleischmassen abg e stoßen und angewidert gefühlt, aber da sie eine Fleck war, empfand ich ihre Leibesfülle bloß als einen weiteren Unterschied zwischen uns.
    Sie fragte mich auf Jindobe: »Wer kommt da?« Ihr Gesichtsausdruck blieb ernst, aber ihre tiefe Stimme klang höflich und neutral. Es war die Frage, die jeder einem Fremden stellen würde, der sich seiner Tür nähert.
    Ich hielt inne und wollte antworten, aber mein Name fiel mir nicht ein. Hatte ich ihn am Tor zur Welt der K i dona zurückgelassen? Ich rief mir in Erinnerung, dass ich Dewaras Herausforderung angenommen hatte, um ein Kidona zu werden. Wenn ich ein Krieger werden und mir Dewaras Respekt verdienen wollte, musste ich den Feind vor mir besiegen. Aber Dewara hatte mich nicht davor gewarnt, dass der Feind eine alte Frau sein könnte. Der Teil von mir, der kein Kidona war, schämte sich für die bloße Klinge in meiner Hand und meine Unfähigkeit, der Frau auf ihre höfliche Frage zu antworten. Ein gernischer Soldat erhob seine Waffe nicht gegen Frauen und Kinder. Dieser Teil von mir war sehr stark, und ich ließ meinen Degen sinken. Ich versuchte, ritterlich und kriegerisch zugleich zu klingen, als ich sagte: »Der, der mich hierher gebracht hat, nennt mich ›Soldatensohn‹.«
    Sie legte den Kopf schief und lächelte mich an, als w ä re ich sehr jung. Ein sanfter Tadel lag in ihrer Stimme, so wie bei einer älteren Frau, die einen Knaben mahnt, sich zu benehmen. »Das ist nicht dein richtiger Name und auch keine Art, sich vorzustellen. Wie lautet der Name, den dein Vater dir gab?«
    Ich holte Atem und fand eine Wahrheit, die ich bis d a hin nicht gekannt hatte. »Ich glaube nicht, dass ich diesen Namen hier sagen kann. Ich bin hierher gekommen, um ein Kidona zu werden. Aber bis jetzt habe ich noch ke i nen Kidona-Namen.« Nachdem ich das gesagt hatte, kam ich mir plötzlich kindisch und töricht vor: Wie hatte ich nur so dumm sein können, meinem Feind dies zu verr a ten! Ich spannte die Muskeln und hob meine Klinge wi e der in Angriffsposition.
    Die Frau schien völlig unbeeindruckt von meinem D e gen. Sie beugte sich ein wenig vor, und ich sah, dass ihr wallendes, strähniges Haar an dem Baumstamm festhing, ganz so, als wäre sie an ihn gefesselt. Sie schaute mich an, und ich hatte das Gefühl, als blicke sie ganz tief in mich hinein. In ganz ruhigem, beinahe vertraulichem Ton sagte sie: »Ich verstehe, was dir Schwierigkeiten bereitet. Er hofft, mit deiner Hilfe den Weg an mir vorbei erzwi n gen zu können. Du sollst glauben, dass du mich töten musst, um ein richtiger Mann zu werden, ein Mann, der seinen Respekt und seine Achtung verdient. Das ist nicht wahr. Töten ist und bleibt bloß Töten. Der Respekt, den dir jener Kidona zollen wird, wenn du mich tötest, ist nur für ihn real. Kein anderer glaubt an diesen Respekt, du selbst am allerwenigsten. Du brauchst mich nicht zu t ö ten, um dir wahren Respekt zu verdienen. Mein Blut wird dir nur die Achtung dieses Narren einbringen. Mein Tod ist ein hoher Preis für die Achtung eines törichten Fl e gels. Nichts, was mit Blut erkauft wird, ist es wert, bese s sen zu werden, junger Mann.«
    Ich dachte über ihre Worte nach. Es waren die Worte eines Idealisten, durchaus schlüssig – als hochtrabende, weltferne Philosophie. Aber auf einer

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