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Nevare 01 - Die Schamanenbrücke

Titel: Nevare 01 - Die Schamanenbrücke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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mir meine Finger erhalten blieben.
    Sie war unerbittlich. »Ich muss dich vor die Wahl ste l len. Du kannst sagen, dass du lieber sterben möchtest, als dass dein Leben emporgehoben wird. Wenn du das wählst, dann soll es so sein. Aber wenn du in dieses L e ben emporgehoben werden möchtest, dann musst du dich klar entscheiden. Die Magie nimmt niemanden gegen seinen Willen. Wählst du die Brücke?« Sie kniete sich an den Rand der Klippe und beugte sich über mich, blieb aber immer noch außerhalb meiner Reichweite. Ich kon n te ihren Geruch riechen – den Geruch einer alten Frau und von Humus, zu ekelerregender Schärfe vermengt.
    »Ich … wähle … das Leben!« Das Herz pochte mir in den Ohren. Ich bekam kaum genug Luft, um die Worte herauszubekommen. Vielleicht könnte ich geltend m a chen, dass ich nicht wusste, was ich sagte, aber ein Teil von mir wusste es. Die Baumfrau sprach nicht von Tod und Leben, wie ich es kannte; in ihrem Munde bedeut e ten diese Worte etwas anderes. Möglicherweise hätte ich noch länger dort hängen und verlangen können, dass sie mir erklärte, was sie meinte. Ich fürchtete, dass ich mich wie ein Feigling entschieden hatte und dass ich mein L e ben zu einem f urchtbaren Preis gewählt hatte, den ich noch nicht kannte. Doch wie sollte ich in dem Moment, da mir schon schwarz vor Augen zu werden drohte, ve r langen, dass sie mir die genauen Bedingungen unseres Handels nannte? Das schien mir keine vielversprechende Option zu sein. Zuerst einmal hieß es am Leben bleiben. Danach konnte ich immer noch tun, was getan werden musste, um die Sache wieder ins Lot zu bringen.
    Von fern hörte ich Dewara schreien: »Narr! Narr! Jetzt hat sie dich. Jetzt gehörst du ihr! Du hast den Weg geöf f net und uns alle verdammt!« Die Worte waren leise, aber klar verständlich. Ich hatte gedacht, meine Angst sei so heftig, dass keine Steigerung mehr möglich sei, aber D e waras Worte jagten mir eine neue Woge der Angst durch den Körper. Worauf hatte ich mich da eingelassen? Was würde der Sieg der Baumfrau für mich bedeuten?
    Aber es lag kein Triumph in ihrer Stimme, nur Z u stimmung, als sie sprach. »Wie du es gewünscht hast, so soll es sein. Ich ziehe dich hoch. Komm und werde einer von uns.«
    Ich hatte erwartet, dass sie mich bei den Handgelenken packen und nach oben ziehen würde, aber stattdessen langte sie nach unten, und ich spürte, wie ihre Finger meinen Kopf berührten. Mein Vater achtete immer da r auf, dass meine Haare kurzgeschnitten waren, wie es sich für einen Soldatensohn geziemte, aber während meiner Zeit mit Dewara war es zu einem prächtigen Schopf g e wachsen. Bei diesem packte sie mich. Doch auch dann zog sie mich noch nicht hoch, sondern schien mein Haar um ihre Finger zu wickeln, so, als wolle sie sicherstellen, dass sie es auch wirklich fest im Griff hatte.
    Vage nahm ich wahr, dass die Baumfrau ihre Stimme erhoben hatte. Sie ignorierte mich jetzt und sandte ihre Worte über den Abgrund zu Dewara. »War dies deine Waffe, Kidona-Mann? Dieser Junge aus dem Westen? Ha! Die Magie hat ihn auserwählt und ihn mir gegeben. Ich werde ihn gut nutzen. Danke für diese schöne Waffe, Kidona-Mann!«
    Dann wurde ihre Stimme ganz leise. Ich glaube, ich hörte sie nur in meinem Geist. Die Worte erreichten mich, während ich darum kämpfte, nicht von der Dege n klinge abzurutschen. Sie zog jetzt unerbittlich an meinem Haar, aber ich schien mich nicht aufwärts zu bewegen.
    »Pack mich am Handgelenk!«, flehte ich sie an, aber sie hörte nicht auf mich. Sie gab mir mit leiser Stimme Anweisungen. »Dir wird die Magie ein Unterpfand g e ben. Hüte es gut und trage es stets bei dir. Und v on dir nehme ich mir mein eigenes Unterpfand. Es wird uns miteinander verbinden, Soldatenjunge. Was du sprichst, werde ich hören. Ich werde die Nahrung schmecken, die du isst, und im Gegenzug werde ich dich mit meiner Nahrung füllen. Alles, was du bist, werde ich teilen und erfahren.
    Ich werde dir eine große Aufgabe übertragen; du wirst der weiteren Verbreitung der Eindringlinge ein Ende se t zen. Du wirst die Flut derer, die in unser Land einfallen und es zerstören, aufhalten und zurückwerfen. Aus dir werde ich ein Werkzeug machen, das die besiegt, die uns vernichten wollen.« Während sich alles um mich drehte und ich versuchte, mir auf ihre Worte einen Reim zu m a chen, hob sie ihre Stimme erneut. »Er dient jetzt meiner Magie und mir, Kidona-Mann! Und du hast ihn mir g e schenkt! Geh zurück und

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