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Nevare 01 - Die Schamanenbrücke

Titel: Nevare 01 - Die Schamanenbrücke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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zu machen, indem ich meinen Schwerpunkt in der Mitte und meinen Degen vor mich hielt.
    Als ich ein Drittel des Weges über den lebendigen A b schnitt der Brücke zurückgelegt hatte, begannen die Wurzeln unter mir zu knirschen und zu knarren wie ein zum Zerreißen gespanntes Seil. Trotzdem ging ich lan g sam weiter, setzte behutsam einen Fuß vor den anderen und rüstete mich innerlich für den erwarteten Angriff. Alle meine Sinne waren bis zum Zerreißen gespannt. Der Baum war der Wächter, hatte Dewara gesagt. Ich richtete meine ganze Konzentration auf ihn und suchte nach Hinweisen auf versteckte Angreifer oder unnatürliche Aktivitäten, während ich mich vorsichtig weiter vo r wärtsbewegte.
    Doch nichts geschah.
    Ich kam mir ein wenig töricht vor, als ich schließlich zwei Drittel der Waldbrücke überquert hatte, ohne dass der Baum in irgendeiner Weise feindselig reagiert hätte. Allmählich begann ich mich zu fragen, ob dies nicht womöglich wieder einer von Dewaras Streichen gewesen war. Für gewöhnlich waren diese Streiche mit körperl i chem Schmerz verbunden, aber vielleicht wollte er mich ja diesmal einfach nur erniedrigen. Vielleicht gab es aber auch irgendetwas an dem Baum, von dem er wollte, dass ich es sah. Ich hörte auf, ihn zu beobachten, und wandte meine Aufmerksamkeit stattdessen nach vorn. Je näher ich dem Baum kam, desto größer erschien er mir. Bisher kannte ich nur die Bäume des Flachlandes, gebeugt und gekrümmt von stetem Wind. Sie wuchsen sehr langsam, und die ältesten, die ich gesehen hatte, besaßen nicht ein Viertel des Umfanges, den der Baum vor mir aufwies. Dieser Baum hier war groß und hoch und gerade. Er war dick an Rumpf und Gliedern und reckte seine Zweige weit in die Höhe, um so viel wie möglich von den nä h renden Strahlen der Sonne aufzufangen. Sein Laub b e deckte den Boden wie ein dicker, weicher Teppich, ein reicher Humus aus Blattskeletten und den Blättern vom letzten Jahr, braun, aber immer noch als solche erken n bar. Die roten Blüten hatten große gelbe Staubblätter in ihrer Mitte. Wenn der Wind über sie hinwegblies, gaben sie ihre gelben Pollen in solcher Menge frei, dass sie mit dem Wind weiterzogen wie Rauch. Eine Bö trug mir e t was von diesem Blütenstaub entgegen. Er roch erdig und schwer, brannte mir jedoch in den Augen. Ich blinzelte, um meine Wimpern von dem Pollen zu befreien, und als der Tränenschleier wieder aufriss, stand eine Frau vor dem Baum. Ich blieb stehen.
    Sie war keine Wächterin, das war mir sofort klar! Ich starrte sie entgeistert an. Sie war sehr alt und sehr dick – eine fette alte Oma. Noch nie hatte ich eine derart korp u lente Person gesehen. Ihre schweren Lider waren von Falten und Runzeln bedeckt, ihre Nase und ihre Ohren riesengroß. Ihre Backen waren aufgeblasen und ihre Li p pen geschürzt, während sie mich mit ebenso großer Ve r blüffung anstarrte wie ich sie.
    Ich versuchte, mir einen Reim auf das zu machen, was da vor mir stand. Wollte Dewara, dass ich gegen diese Kreatur kämpfte? Welkes Fleisch wallte ihr in wabbligen Wogen um Arme und Kinn. Zahlreiche Ringe waren in ihren feisten Fingern eingesunken, und schwere, mit di c ken Edelsteinen besetzte Ohrringe hatten ihre Ohrläp p chen zu grotesker Länge gedehnt. Ihr gewaltiger Busen ruhte breit auf der mächtigen Kugel ihres Wanstes, und ihr Haupthaar, lang, strähnig und grau wie die Mähne eines Pferdes, hing ihr wie ein Umhang über Schultern und Rücken. Ihr Kleid sah aus, als wäre es aus graugr ü nen Flechten gewebt. Es reichte fast bis auf den Boden; nur ihre feisten Fesseln und ihre plumpen Füße schauten unter dem gewaltigen, zeltförmig ihren Körper umhü l lenden Gewand hervor. Sie war barfuß. Das Sonnenlicht, das durch das Blätterdach des Baumes fiel, sprenkelte ihre Haut und ihr Kleid mit Schattenflecken.
    Dann bewegte sie sich, und mein Bild von ihr verä n derte sich. Die Schattenmuster auf ihrer Haut und ihrem Gewand bewegten sich mit ihr, unabhängig von den ec h ten Schatten der Blätter. Ihre Füße, ihre Arme und ihr Gesicht waren mit Pigmentflecken übersät. Selbst aus der Entfernung erkannte ich sofort, dass diese weder mit Farbe aufgemalt noch in die Haut tätowiert waren. Sie war getüpfelt, gesprenkelt mit Farbe. Es dauerte einen Moment, bis ich begriff, dass ich zum ersten Mal in me i nem Leben einer Fleck gegenüberstand.
    Die Wirklichkeit war ganz anders als die Bilder, die ich mir in meiner Fantasie ausgemalt hatte. Ich hatte g e

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