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Nevare 01 - Die Schamanenbrücke

Titel: Nevare 01 - Die Schamanenbrücke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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aus meinem Mund hörte. »Du wusstest, dass ich ihm gegenüber ungehorsam sein würde. Du wusstest, dass ich mit wenigstens einer Kerbe im Ohr nach Hause kommen würde.«
    Er schwieg eine ganze Weile. Ich glaube nicht, dass er erwartet hatte, dass er mir das würde eingestehen mü s sen. »Ich wusste, dass das Bestandteil deiner Ausbildung sein konnte.« Er lehnte sich ein Stück zurück und schaute mich an, den Kopf ein wenig zur Seite geneigt. »Glaubst du, dass das, was du von ihm gelernt hast, das alles wert war?«
    Ich überlegte eine Zeitlang. Was hatte ich von ihm g e lernt? Ich war mir da immer noch nicht sicher. Ein paar Techniken und Tricks, die das Reiten und das Überleben betrafen. Aber was hatte er mit meinem Kopf gemacht, mit meinem Gemüt? Hatte er mir irgendetwas beig e bracht, mir irgendetwas gezeigt? Oder hatte er mich bloß betäubt und getäuscht und missbraucht? Ich wusste es nicht, aber ich war sicher, dass mein Vater mir bei der Beantwortung dieser Fragen keine Hilfe sein würde. Das Beste war daher, sie gar nicht erst aufzuwerfen. Das B e ste würde sein, es ihm zu ermöglichen, die ganze Sache für sich abzuschließen. »Bestimmt ist das, was ich g e lernt habe, ein paar Schrammen und Narben wert. Und wie du schon gesagt hast, ein Soldat muss damit rechnen, dass er während seiner Laufbahn nicht ohne die eine oder andere Narbe davonkommt.« Ich hoffte, er würde keine weiteren Fragen stellen, als ich hinzufügte: »Vater. Bitte. Lass ihn doch ziehen. Ich möchte, dass die Sache hier und jetzt ein Ende hat. Ich war ihm gegenüber ungeho r sam, und er hat mir dafür eine Kerbe ins Ohr gehauen. Lass es damit gut sein.«
    Er starrte mich an, hin und her gerissen zwischen Ve r blüffung und Erleichterung. »Du weißt, dass ich das nicht tun sollte, Sohn. Dich mehr tot als lebendig vor unserer Haustür abzuladen … Wenn wir zulassen, dass ein Kid o na so etwas ungestraft dem Soldatensohn einer edlen Familie antut … nun, dann laden wir andere Flachländer geradezu ein, das Gleiche mit den Söhnen anderer Fam i lien zu machen. Dewara kann weder mit Toleranz noch mit Vergebung etwas anfangen. Er wird mich nur dann respektieren, wenn ich ihn dazu zwinge.« Er rieb sich den Nasenrücken, während er müde hinzufügte: »Ich hä t te länger darüber nachdenken müssen, bevor ich dich in seine Gewalt gab. Ich fürchte, ich habe zu spät begriffen, was ich damit angerichtet habe. Damit könnte ich Unr u hen unter den Kidonas ausgelöst haben. Aber ich kann es nicht mehr ungeschehen machen oder mich davonstehlen und es anderen überlassen, damit fertigzuwerden. Nein, mein Sohn. Ich muss alles wissen, die ganze Wahrheit, und dann muss ich handeln.«
    Während er redete, hatte ich begonnen, vorsichtig an den nassen, längst aufgeplatzten Blasen an meinem li n ken Unterarm zu kratzen. Die Behandlung mit Brei und Fett und Butter hatte schorfige, feuchte Hautfetzen hi n terlassen, wie bei einem Flussfisch am Ende seiner Wa n derung. Die Versuchung, sie abzuziehen, war ebenso groß, wie sie kindlich war. Ich zupfte und knibbelte vo r sichtig an der juckenden Stelle herum, ohne dem Drang nachzugeben, mich zu kratzen, und vermied es so, me i nem Vater in die Augen zu schauen.
    »Nevare?«, sagte er, nachdem ich einen Moment hatte verstreichen lassen.
    Ich traf eine Entscheidung – ich log meinen Vater an. Es war erstaunlich, wie leicht mir die Worte über die Lippen kamen. »Er hat mich mit h inauf zu den Plateaus genommen. Er hat versucht, mir ein Manöver zur Übe r querung der Schlucht beizubringen. Es erschien mir u n klug, unnötig gefährlich, und ich weigerte mich, es au s zuführen. Vielleicht war ich zu unverblümt in meiner Kritik. Ich sagte ihm, es sei töricht, und nur ein Dum m kopf würde so etwas machen. Daraufhin versuchte er, mich dazu zu zwingen, und ich setzte mich zur Wehr. Ich glaube, ich habe ihn im Gesicht getroffen.« Mein Vater würde wissen, dass dies in den Augen eines Kidona eine tödliche Beleidigung war. Dewaras Reaktion würde ihm jetzt nur allzu plausibel erscheinen. Ich hielt inne, und dann entschied ich, dass ich genug erzählt hatte. »Das ist das Letzte, woran ich mich erinnere, bis ich hier au f wachte.«
    Mein Vater saß ganz still da. Ich sah, wie es in seinem Kopf arbeitete. In diesem Moment wünschte ich mir nicht, dass ich ihm die Wahrheit gesagt hätte; ich wünschte mir, mir wäre eine bessere Lüge eingefallen. Die Schuld an dem, was mir widerfahren war, musste

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