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Nevare 01 - Die Schamanenbrücke

Titel: Nevare 01 - Die Schamanenbrücke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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fragte mich, wie viel von dem Erlebnis real gew e sen sein mochte. Hin und wieder berührte ich die runde kahle Stelle auf meinem Kopf. Ich entschied, dass ich bewuss t los geworden war, als Dewara mir auf den Kopf geschl a gen hatte, und dass mein Gehirn die Schmerzen in me i nen Traum mit aufgenommen hatte.
    Nur einmal versuchte ich, mit jemandem über meine Traumreise zu sprechen. Das war ungefähr sechs W o chen nachdem ich vor die Türschwelle meines Vaterha u ses geworfen worden war. Ich war wieder auf den Beinen und auf dem besten Wege, ganz gesund zu werden. Ein paar Stellen wie meine Unterarme und die Haut über meinen Wangenknochen waren noch mit rosafarbenen Flecken gesprenkelt und sollten dies auch noch mehrere Monate bleiben, nachdem der Rest meines Körpers längst geheilt war, aber ich war so weit wiederhergestellt, dass ich jeden Morgen aufstand und im Kreise meiner Familie frühstückte. Yaril, meine jüngere Schwester, schien sehr lebhaft zu träumen, und sie langweilte den Rest der F a milie oft damit, dass sie darauf bestand, ihre Traumfant a sien in epischer Breite am Frühstückstisch wiede r zugeben. An jenem Morgen, als sie wieder einmal lan g atmig irgendeine verrückte Geschichte vor uns ausbreit e te, wie sie von einer Horde Vögel aus den Klauen blu t rünstiger Raubschafe gerettet worden war, platzte me i nem Vater der Kragen, und er verbannte sie, frühstück s los, wie sie war, in den Salon. »Eine Frau, die nichts Vernünftiges zum Tischgespräch beizutragen hat, sollte den Mund gar nicht erst aufmachen!«, erklärte er ihr harsch, als er sie des Raumes verwies.
    Sobald mein Vater die Tafel aufgehoben hatte, suchte ich sie im Salon auf, wohl wissend, dass sie weit em p findsamer war als ihre Geschwister und wegen Rügen weinte, die Elisi oder ich mit einem schlichten Achse l zucken abgetan hätten. Ich hatte ihren Gemütszustand richtig eingeschätzt. Sie saß auf einem kleinen Sofa und tat so, als sei sie in ihre Stickerei vertieft. Dabei hatte sie den Kopf gesenkt, und ihre Augen waren gerötet. Als ich hereinkam, blickte sie nicht zu mir auf. Ich setzte mich neben sie, hielt ihr das süße Naschwerk hin, das ich für sie vom Frühstückstisch stibitzt hatte, und sagte leise: »Also, ich für mein Teil war ziemlich gespannt darauf zu erfahren, wie es in deinem Traum weiterging. Möchtest du’s mir nicht erzählen?«
    Sie nahm das Gebäck entgegen und dankte mir mit e i nem kurzen Blick. Sie brach ein Stück davon ab und aß es. Dann sagte sie mit belegter Stimme: »Nein. Es ist töricht, genau, wie Vater sagt. Es ist reine Zeitve r schwendung für mich, über meine Träume zu plappern, und für dich, dir dieses Geplapper anzuhören.«
    Ich konnte und wollte meinen Vater nicht kritisieren, nicht gegenüber meiner kleinen Schwester. »Töricht, ja, vielleicht, aber das sind viele Dinge, die uns erheitern. Ich glaube, er findet, dass der Frühstückstisch nicht der richt i ge Ort für Geschichten dieser Art ist. Aber ich wü r de sie gern hören, wenn wir Zeit füreinander haben, so wie jetzt.«
    Meine jüngere Schwester hatte riesengroße graue A u gen, die mich immer an die Augen einer schwarzen Ka t ze erinnerten. Ihr Blick war sehr ernst, fast feierlich. »Du bist so nett zu mir, Nevare. Aber ich kann genau sehen, wenn du einfach nur nett zu mir sein willst. Ich glaube, dass du dich in Wahrheit nicht im Geringsten dafür inte r essierst, was ich nachts träume, oder dafür, was ich tag s über tue oder denke. Du willst dich nur vergewissern, dass Vater meine Gefühle nicht verletzt hat, als er mich hinausschickte.«
    Sie hatte vollkommen Recht, was ihre Träume anging, aber ich wollte ihr nicht weh tun. »Doch, Träume intere s sieren mich durchaus, allein schon deshalb, weil ich selbst so selten welche habe. Du scheinst dagegen fast jede Nacht zu träumen.«
    »Ich habe gehört, dass wir alle jede Nacht träumen, aber dass nur einige Menschen sich an ihre Träume eri n nern können.«
    Ich lächelte. »Und wenn alle ihre Träume vergessen, wie sollte man diese Behauptung dann beweisen können? Nein. Sobald mein Kopf das Kissen berührt und ich die Augen schließe, herrscht bis zum nächsten Morgen vol l kommene Stille in meinem Geist. Im Gegensatz dazu scheinst du deine Stunden des Schlafes mit allerlei Abe n teuern und fantastischen Grillen zu füllen.«
    Sie wandte den Blick ab. »Vielleicht erlebe ich de s halb so viele Abenteuer in meinen Träumen, weil es sonst so wenig

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