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Nevare 01 - Die Schamanenbrücke

Titel: Nevare 01 - Die Schamanenbrücke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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entweder auf Dewara oder auf mich fallen. Ich nahm sie nicht etwa deshalb auf mich, weil ich das Gefühl gehabt hätte, sie zu verdienen, sondern weil ich trotz meines j u gendlichen Alters die weitreichenden Konsequenzen a b sehen konnte, die es gehabt hätte, wenn ich es nicht getan hätte. Wenn Dewara mich verletzt hätte, ohne dass ich ihn ernsthaft provoziert hatte, hätte mein Vater den Kri e ger unerbittlich und gnadenlos verfolgen und bestrafen müssen. Indem ich aber die Schuld auf mich nahm, e r öffnete ich meinem Vater die Möglichkeit, seinen R a chedurst zu zügeln und weniger gnadenlos gegen den Kidona vorzugehen. Mir waren natürlich auch die wei t reichenden Folgen klar, die es mit sich bringen würde, wenn ich die Schuld auf mich nahm; dass andere sich dann würden fragen müssen, warum mein Vater Dewara nicht unerbittlich nachstellte. Ein Hauch von Zweifel würde an mir haften bleiben: Was hatte ich dem Kidona angetan, dass ich eine solche Strafe verdiente? Wenn mein Vater seinen Kollegen sagen konnte, dass ich mir die Kerben im Ohr selbst zuzuschreiben hatte, weil ich dem Kidona ins Gesicht geschlagen hatte, dann wäre es verständlich und nachvollziehbar. Mein Vater würde sich ein bisschen dafür schämen, dass ich bei einem Kampf von Mann zu Mann mit dem Kidona nicht obsiegt hatte. Zugleich konnte er aber auch ein wenig väterlichen Stolz daraus schöpfen, dass ich Dewara geschlagen hatte. Zu spät wünschte ich mir, ich hätte meine Lüge ein wenig abändern können, denn dass ich gesagt hatte, der Streit hätte sich daran entzündet, d ass ich mich geweigert hatte, eine Schlucht zu überqueren, rückte mich in ein wenig vorteilhaftes Licht; es ließ mich ein bisschen wie einen Feigling dastehen. Aber ich konnte es nun nicht mehr ungesagt machen, also schob ich diese Erwägungen be i seite. Ich litt Schmerzen und war müde und erschöpft, und während meiner Rekonvaleszenz hatte ich oft das Gefühl, als wären meine Gedanken nicht immer ganz meine eigenen.
    So zog ich nicht eine Sekunde auch nur in Erwägung, wenigstens den Versuch zu unternehmen, meinem Vater meine Wahrheit darzulegen. Denn als das – als meine Wahrheit – empfand ich es mehr und mehr in diesen T a gen des schmerzgeplagten Wachens nach meiner Hei m kehr. Meine Wahrheit war, dass ich es – in einem Traum – unterlassen hatte, Dewaras Befehl zu befolgen, die Baumfrau zu töten. Ich hatte ihm den Gehorsam verwe i gert, weil ich geglaubt hatte, es besser zu wissen. Das war eine Selbsttäuschung gewesen. Er hatte mich g e warnt, dass sie ein mächtiger Feind sei. Als ich die Mö g lichkeit gehabt hätte, sie zu töten, hatte ich versagt. Ich würde niemals erfahren, was passiert wäre, wenn ich in dem Moment, als ich sie zum ersten Mal sah, vorwärt s gestürmt wäre und sie getötet hätte. Und nun würde ich mit den Konsequenzen leben müssen. In jener Traumwelt war ich gestorben, und als Folge davon wäre ich um ein Haar auch in dieser Welt gestorben. Ich fragte mich, ob es irgendeine Möglichkeit gab, mit meinem Vater über diesen »Traum« zu sprechen. Ich bezweifelte es. Seit ich gehört hatte, welche Meinung mein Vater insgeheim von mir hatte, seit ich gehört hatte, wie er gegenüber meiner Mutter seine Bedenken bezüglich meiner Fähigkeit zu führen und zu befehlen geäußert hatte, war er mir seltsam fremd geworden. Er hatte mich ausgeschickt, um mich von einem unserer Familie feindlich gesinnten Wilden auf die Probe stellen zu lassen – ohne ein Wort der Wa r nung. Hatte er überhaupt daran gedacht, dass ich von di e ser Prüfung möglicherweise nie wieder zurückkehren könnte? Oder war das ein Risiko, das er einfach in Kauf genommen hatte? Hatte er kühl erwogen, dass es besser wäre, mich jetzt als Sohn zu verlieren, als das Risiko ei n zugehen, dass ich ihm womöglich später, als Soldat, Schande bereiten würde? Ich schaute ihn an, und mir wurde übel vor Wut und Verzweiflung.
    Leise sprach ich die ersten Worte aus, die mir einfi e len. »Ich glaube, dass ich dir im Moment nichts weiter zu sagen habe.«
    Er nickte mitfühlend, taub für die Empfindungen, die in meinen Worten mitschwangen. »Du bist sicher noch sehr erschöpft, mein Sohn. Vielleicht sprechen wir besser ein andermal darüber.« Seine Stimme klang, als ob ihm das durchaus ein Anliegen sei. Wieder kamen mir Zwe i fel. War ich seinen hohen Ansprüchen wenigstens zum Teil gerecht geworden? Glaubte er, dass ich dazu bef ä higt war, Männer zu

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