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Nevare 01 - Die Schamanenbrücke

Titel: Nevare 01 - Die Schamanenbrücke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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befehligen? Schlimmer noch: Ich zweifelte plötzlich selbst an meiner Zukunft. Vielleicht sah mich mein Vater mit klarerem Blick, als ich das selbst vermochte. Vielleicht fehlte mir tatsächlich das gewisse Etwas, das einen guten Offizier ausmachte. Als sich in diesem Moment die Tür meines Zimmers leise schloss, klang es in meinen Ohren beinahe so, als würde ich von der Zukunft ausgeschlossen, die ich bisher immer als selbstverständlich angenommen hatte.
    Ich ließ mich zurück in meine Kissen sinken, atmete tief durch und versuchte, mich zu beruhigen. Es gelang mir auch wohl, meinen Körper dazu zu zwingen, dass er sich entspannte, aber die Gedanken in meinem Kopf kreisten mit unverminderter Geschwindigkeit weiter. Fast hatte ich das Gefühl, als hätten sie mit ihrem endlosen Kreisen eine Furche in mein Gehirn gefräst. Tag um Tag lag ich im Bett, von einer seltsamen Schwäche befallen, die irgendwie nicht mit meinen Verletzungen in Zusa m menhang zu stehen schien, und zermarterte mir immer und immer wieder den Kopf bei dem Versuch, mir einen Reim auf die Erinnerungen zu machen, die mir geblieben waren.
    Aber es gelang mir nicht. Jede Logik versagte hier. Wenn alles nur ein Traum gewesen war, dann konnte ich nichts davon dem Kidona anlasten. Offenbar hatte Dew a ra mich in einen Rauschzustand versetzt, erst mit dem Rauch von dem Lagerfeuer, und später dann – wenn ich mir das nicht bloß einbildete –, indem er mir den g e trockneten Frosch in den Mund gesteckt hatte. Aber alles, was danach passiert war, war natürlich eine Sinnestäuschung gewesen. Ich hatte es mir nur eingebi l det; nichts davon war wirklich geschehen. Aber warum war Dewara dann so wütend auf mich gewesen? Denn dass er das g e wesen war, stand für mich fest. Er war so wütend auf mich gewesen, dass er mich getötet hätte, wenn er es g e wagt hätte. Allein seiner Angst vor meinem Vater ve r dankte ich mein Leben. Nur, warum hätte er mich für ein imaginäres Vergehen – oder, wie in diesem Fall, eine Unterlassung – bestrafen sollen, von dem er doch eigen t lich gar nichts hätte wissen können? Es sei denn, es b e stand die Möglichkeit, dass er mir tatsächlich in meine Träume gefolgt war, oder dass wir auf irgen d eine sonderbare Weise in die Geisterwelt der Flachlä n der eingedrungen waren und uns dort eine Weile au f hielten.
    Diese verquere Logik ließ, folgerichtig zu Ende g e dacht, noch eine weitere mögliche Schlussfolgerung zu: Der Traum, den ich geträumt hatte, war nicht mein Traum gewesen. Davon war ich in einer Weise übe r zeugt, der ich nichts entgegenzusetzen hatte. Er war auf eine Weise fantastisch gewesen, die meinem Denken fremd war. Ich selbst hätte nie und nimmer von so einer seltsamen Brücke oder von so einer Schlucht geträumt. Und ganz sicher hätte ich mir die Rachegöttin, die ich besiegen musste, nicht als eine dicke alte Frau zurechtg e träumt. In meinem Traum hätte ein Riese mit zwei Kö p fen oder ein gepanzerter Ritter aus den guten alten Zeiten eine Furt oder eine Brücke bewacht. So sahen die He r ausforderer aus meinen Legenden aus. Und meine eigene Reaktion war falsch gewesen. Ich war völlig verwirrt, so, als hätte ich ein Märchen aus einem fernen Land gelesen und weder den Helden noch das Ende verstanden. Ich konnte nicht einmal sagen, warum der Traum mir so wichtig erschien. Ich wollte, dass er verblasste, wie es meine anderen Träume taten, wenn ich aufwachte, aber dieser hing mir tagelang nach.
    Die Tage meiner Genesung schleppten sich träge und trostlos dahin, und der Traum vermengte sich mit Erinn e rungen an meine Tage mit Dewara, bis mir schließlich alles gleichermaßen irreal vorkam. Es fiel mir schwer, die Ereignisse jener Zeit in eine schlüssige Reihenfolge zu bringen. Ich konnte Sergeant Duril die Techniken vo r führen, die der Kidona mich gelehrt hatte, aber ich kon n te mich nicht daran erinnern, bei welcher Gelege n heit ich sie gelernt hatte. Sie waren ein Teil von mir g e worden, etwas, das sich meinen Nerven und Knochen eingeprägt hatte wie Atmen oder Husten. Ich wollte nicht den Kid o na als einen Teil von mir in mir herumtragen, aber ich tat es. Etwas von ihm war mir geradewegs in Fleisch und Blut übergegangen, etwa so, wie er von der Eisenkugel meines Vaters behauptete, sie sei in seine Seele eing e drungen und dort geblieben. Manchmal stand ich vor meiner Mineraliensammlung, starrte auf den gr o ben Stein, den der Arzt mir aus dem Fleisch operiert ha t te, und

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