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Nevare 01 - Die Schamanenbrücke

Titel: Nevare 01 - Die Schamanenbrücke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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Westen zu finden, denn mein Vater wusste sehr wohl, dass die Sö h ne dieser Männer zwar Soldaten werden sollten wie ihre Väter, ihre Töchter aber Flickschuster oder Kaufleute oder Bauern als Ehemänner anlocken würden. Unsere kleine Stadt am Fluss brauchte einen solchen Zustrom von Handwerkern, wenn sie wachsen und gedeihen sol l te.
    Ich kannte die Männer meines Vaters schon mein ga n zes Leben, aber in den darauffolgenden Tagen sollte ich sie noch besser kennenlernen. Obwohl sie jetzt nur noch einfache Zivilisten waren, nachdem sie ihren militär i schen Rang zusammen mit ihrer Uniform abgelegt ha t ten, redete mein Vater sie immer noch mit »Korporal« oder »Sergeant« an, und ich glaube, sie freuten sich über diese Art der Anerkennung ihrer früheren Taten.
    Sergeant Jeffrey war für die Betreuung unserer Schafe auf ihrer Weide am Fluss zuständig. In jenem Frühling war die Geburtenrate bei den Schafen überdurchschnit t lich hoch, weil viele Mutterschafe Zwillinge warfen. Nicht alle diese Mutterschafe hatten die Milch oder die Geduld, zwei Lämmer aufzuziehen, so dass Jeffrey alle Hände voll zu tun hatte. Er löste das Problem, indem er junge Burschen aus den Reihen der domestizierten Te r nu-Dörfler anheuerte, die ihm beim Aufziehen der Lä m mer mit der Flasche zur Hand gingen. Die jungen Flac h länder machten sich mit Begeisterung an die Arbeit, glücklich, sich für einen Heller und eine Zuckerstange pro Tag nützlich machen zu können. Mein Vater war stolz darauf, wie er die Ternu gezähmt hatte, und noch stolzer war er darauf, dass er ihren Kindern jetzt nützl i che Dinge beibrachte. Er fand, dass es die Pflicht des gernischen neuen Adels sei, den ehedem unzivilisierten Bewohnern der Flachlande und der Hochplateaus die Segnungen der Zivilisation zu bringen. Wenn er und meine Mutter Dinnerpartys und Gesellschaften veransta l teten, lenkte er das Gespräch oft bewusst auf die Vorteile solcherlei Wohltätigkeitsarbeit und ermunterte andere edle Familien dazu, seinem Beispiel zu folgen.
    Korporal Curf fehlte ein Teil seines rechten Fußes, was ihn freilich nicht sonderlich behinderte. Er beau f sichtigte unsere Wiesen und Kornfelder, vom Pflügen über das Säen bis hin zum Ernten. Er war ein begeisterter Verfechter der künstlichen Bewässerung und diskutierte häufig mit meinem Vater über die Machbarkeit und die Chancen eines solchen Bauprojekts. Er hatte mit eigenen Augen gesehen, wie die Flachländer mit dieser Methode Wasser auf ihre Felder im Osten brachten, und brannte darauf, sie nachzuahmen. Mein Vater vertrat den Stan d punkt, nur das anzubauen, was das Land auf natürliche Weise gedeihen ließ, im Einklang mit dem Willen des gütigen Gottes, aber Curf wollte unbedingt Wasser zu den oberen Feldern leiten. Ich bezweifelte, dass diese Frage noch zu meinen Lebzeiten entschieden werden konnte. Curf arbeitete unermüdlich für meinen Vater und probierte alle erdenklichen Methoden aus, um die Fruchtbarkeit des Landes nach dem dritten Jahr seiner Nutzung wiederherzustellen.
    Sergeant Refdom war unser Mann für den Obstanbau – ein für uns neues Betätigungsfeld. Mein Vater sah ke i nen Grund, warum auf den Hängen oberhalb der Kor n felder keine Obstbäume gedeihen sollten. Ich sah auch keinen, aber sie gediehen nicht. Die Pflaumenbäume w a ren fast alle vom Blattbrand dahingerafft worden. Die Äpfel wurden, kaum dass sie sich gebildet hatten, von einer Art Bohrwurm befallen. Aber Sergeant Refdom ließ sich nicht entmutigen, und dieses Jahr hatte er eine neue Kirschsorte gepflanzt, die gut anzuschlagen schien.
    Wir kehrten immer am späten Vormittag ins Haus z u rück. Gemeinsam tranken wir Tee und aßen Fleischro u laden, und dann entließ mich mein Vater in meinen U n terricht. Er hielt es für klug, mich die Grundlagen der Verwaltung unseres Grundbesitzes erlernen zu lassen, denn es wurde von mir erwartet, dass ich, wenn einst meine Tage als Soldat gezählt waren, nach Hause z u rückkehren und meinem Bruder an seinem Lebensabend als Aufseher zur Hand gehen konnte. Falls Rosse bis d a hin von irgendeiner Krankheit befallen wurde oder ein sonstiges Missgeschick ihn ereilte, gestattete ihm das Gesetz, den König zu bitten, dass sein Soldatenbruder zum Zwecke der »Verteidigung des Landes seines V a ters« zu ihm zurückkehrte. Dass mir ein solches Schic k sal erspart bleiben würde, darum betete ich Abend für Abend, und dies nicht nur aus Liebe zu meinem kräftigen älteren Bruder. Ich

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