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Nevare 01 - Die Schamanenbrücke

Titel: Nevare 01 - Die Schamanenbrücke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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Wissen und Gewissen aufzeichnete.
    In der Villa meines Onkels Sefert in Alt-Thares war eine ganze Wand seiner großen Bibliothek der Aufb e wahrung solcher Tagebücher vorbehalten. Sefert Burve l le war der ältere Bruder meines Vaters, der älteste Sohn, der den Familiensitz, den Titel und die Ländereien geerbt hatte. Ihm oblag die Pflicht, die Familienchronik zu h ü ten und zu pflegen. Mein eigener Vater, Keft Burvelle, war der Zweitgeborene gewesen, der Soldatensohn seiner Generation. Zweiundvierzig Jahre vor meinem achtzeh n ten Geburtstag war mein Vater auf sein Kavallapferd g e stiegen und mit seinem Regiment zur Grenze aufgebr o chen. Er selbst war nie mehr nach Haus Steinbach, dem Haus seiner Väter, zurückgekehrt, aber alle seine Militä r tagebücher waren es. Seine Aufzeichnungen füllten fast zwei Regale der Bibliothek seines Bruders, eine bewegte Chronik der entscheidenden letzten Schlachten unseres Heeres gegen die Flachländer im Zuge der Expansion König Trovens in die Wildlande.
    Sobald er in den Offiziersrang aufgestiegen war und eine Privatunterkunft im Fort hatte beziehen dürfen, me l dete er nach Hause, dass er bereit sei, seine Braut zu sich zu holen. Seleth Rode, damals zwanzig, ihm aber schon im zarten Alter von sechzehn Jahren versprochen, war mit Kutsche, Karren und zu Pferde zu ihm gereist und ihm in der Regimentskapelle in Fort Renalx zum Weibe angetraut worden. Sie war eine gute Kavalleriefrau g e wesen und hatte dem jungen Leutnant, der später zum Hauptmann aufstieg und schließlich als Oberst in den Ruhestand trat, ein Kind nach dem anderen geboren. In ihrer Jugend hatten sie geglaubt, dass alle ihre Söhne sp ä ter einmal Soldaten würden, denn das war die Besti m mung der Söhne eines Soldatensohnes.
    Die Schlacht von Bitterbach änderte das alles. Mein Vater hatte sich in den beiden letzten und entscheidenden Sturmangriffen so herausragend und tapfer geschlagen, dass König Troven, als er davon erfuhr, ihm einen Besitz von vierhundert Morgen eben jenes Landes gewährt ha t te, das unsere Truppen den Flachländern so mühevoll und unter einem so hohen Blutzoll abgerungen hatten. Mit der Landgewährung waren ein Adelstitel und ein eigenes Wappen verbunden, welche ihn zu einem der Ersten machten, die in den neuen Adelsstand erhoben wurden. Die neuen Lehnsmänner des Königs würden sich im Osten ansiedeln und Zivilisation und Tradition mi t bringen.
    Es war das Wappen meines Vaters, nicht das seines ä l teren Bruders, das ich jetzt, fest eingeprägt in den du f tenden Ledereinband meines neuen Buches, stolz empo r reckte, damit meine Geschwister es gebührend bestaunen konnten. Es bestand aus einem Spondiasbaum in voller Blüte, der an einem Bach stand. Dieses Tagebuch würde hierher zurückkehren, nach Haus Breittal, und nicht wie die Tagebücher meines Vaters nach Haus Steinbach, dem Stammhaus unserer Familie in Alt-Thares. Dieses Buch sollte der erste Band auf dem ersten Regal sein, das für die Soldatensöhne der Stammeslinie meines Vaters ei n gerichtet wurde. In diesem Moment begründeten wir hier, am einstigen Rande der Wildlande, eine Dynastie, und wir waren uns der Würde und der Tragweite dieses Augenblicks bewusst.
    Die Stille zog sich hin, während ich das Tagebuch emporhielt und meine neue Position auskostete. Es war schließlich mein Vater, der sie brach.
    »So, da hat sie denn nun also begonnen, Nevare. De i ne Zukunft, mein Sohn. Sie wartet nur auf dich, wartet darauf, dass du sie lebst und niederschreibst.« Er sprach so feierlich, dass ich kein Wort der Erwid e rung fand.
    Vorsichtig legte ich meine Geschenke zurück auf das rote Kissen, auf dem sie mir dargeboten worden waren. Als ein Diener sie vom Tisch forttrug, nahm ich meinen Platz ein. Mein Vater erhob sein Weinglas. Auf einen Wink von ihm hin füllte einer der Dienstboten alle unsere Gläser. »Trinken wir auf unseren Sohn und Bruder und wünschen wir Nevare viele tapfere Heldentaten und G e legenheiten, Ruhm und Ehre zu erlangen!« Alle erhoben ihre Gläser und prosteten mir zu, und ich erhob meines, und dann tranken wir.
    »Danke, Sir«, sagte ich, aber mein Vater war noch nicht fertig. Wieder erhob er sein Glas. »Und«, begann er und wartete, bis mein Blick den seinen traf. Ich hatte ke i ne Ahnung, was jetzt kommen würde, aber ich hoffte inbrünstig, dass es ein Kavallapferd meiner eigenen Wahl wäre. Sirlofty war ein wunderbares Reittier, aber ich träumte von einem feurigeren Ross. Ich hielt den

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