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Nevare 01 - Die Schamanenbrücke

Titel: Nevare 01 - Die Schamanenbrücke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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wird für sein Tun Rechenschaft ablegen müssen, denn von seinem Schwert und seiner Feder wird es abhängen, ob seine Familie Ruhm erlangen oder in Schande leben wird. Möge er in der Blüte seiner Jahre dem rechtmäßigen König dienen, und im Alter soll er heimkehren, um das Haus seines V a ters zu beschützen.«
    Während mein Bruder diese Worte sprach, hielt ich die Geschenke meines Vaters hoch, damit die ganze F a milie sie sehen konnte. In der einen Hand hatte ich me i nen neuen Kavallasäbel, der in einer Scheide a us glä n zendem schwarzem Leder steckte, in der anderen ein l e dergebundenes Tagebuch. Das eine war meine Waffe, in dem anderen sollte ich Rechenschaft über mein Tun abl e gen. Mit diesem zweiten Geschenk war für meine g e samte Familie ein wichtiger Augenblick gekommen. Es bedeut e te nicht nur, dass ich ein Alter erreicht hatte, in dem von mir erwartet wurde, dass ich mich wie ein Mann verhielt; damit wurde innerhalb der Familie auch eine Fackel an mich weitergereicht. Mein Vater war ein neuer Edelmann und der erste, der den Titel Lord Burvelle des Ostens trug. Das machte mich zum ersten Soldatensohn dieses neuen Adelsgeschlechts. Zum ersten Mal in me i nem Leben nahm ich den Platz am Kopfende des Tisches ein. Das Buch, das ich stolz in die Höhe streckte, war eigens den weiten Weg aus Alt-Thares hierher gebracht worden, und auf dem Deckel prangte das Wappen meines Vaters, au f gedruckt von der Königlichen Druckerei zu Alt-Thares.
    In diesem Augenblick der Stille schaute ich den la n gen Tisch hinunter auf meine Familie und dachte über meinen Platz in ihr nach. Zu meiner Rechten saß mein Vater und gleich hinter ihm meine Mutter. Zu meiner Linken saß mein älterer Bruder Rosse, der Erbe, der einst meines Vaters Haus und Land erhalten würde. Hinter ihm stand mein jüngerer Bruder Vanze, der eigens ang e reist war, um zu meinen Ehren aus der Heiligen Schrift zu lesen. Links neben Vanze auf der einen Seite des T i sches und rechts neben meiner Mutter auf der anderen saßen meine beiden Schwestern, die elegante Elisi und die noch kindlich verspielte Yaril. Sie würden gut heir a ten. Dadurch würden sie zwar einen Teil des Familie n vermögens in Form der Mitgift mitnehmen, andererseits aber die Familie mit den gesellschaftlichen Verbindu n gen bereichern, die sie eingingen. Mein Vater hatte gut daran getan, so viele Kinder zu zeugen: Er hatte sich eine Familie geschaffen, wie kein Mann sie sich besser hätte wünschen können, und noch eine weitere Tochter dazu.
    Und ich, Nevare, war der zweite Sohn, der Soldate n sohn der Familie. Heute wurde es für mich Wirklichkeit. In unserem Geschlecht war das schon immer so gewesen: Der älteste Sohn erbte, der dritte Sohn war ein Geschenk an den gütigen Gott, und der zweite Sohn wurde Soldat, mehrte den Ruhm der Familie und machte ihrem Namen Ehre. Jeder hochgeborene Soldatensohn bekam zu se i nem achtzehnten Geburtstag ein solches Tagebuch, wie ich es jetzt emporhielt, gebunden in gutes Kalbsleder, die Seiten sauber und fest geheftet, cremefarben, dick und r obust. In ihm würde ich mit meinen eigenen Worten »Rechenschaft über mein Tun ablegen«, wie es in der Schrift hieß. Dieses Buch und die Federmappe, die ihm beilag, würden mich überallhin begleiten, genau wie mein Säbel. Das Tagebuch war so gebunden, dass es, einmal aufgeklappt, flach auflag, damit ich leicht in ihm schreiben konnte, ob ich nun an einem Pult stand oder es auf dem Schoß hatte, während ich an einem Lagerfeuer saß. Die Federmappe barg nicht nur zwei kräftige Federn nebst einem Tintenfässchen und Spitzen, sondern auch Bleistifte mit Minen verschiedener Farben zum Skizzi e ren des Terrains, der Flora und der Fauna. Sobald dieser Band gefüllt war, würde er nach Breittal zurückkehren, um seinen Platz in einem Regal in der Bibliothek als Teil der fortlaufenden Chronik meiner Familie zu finden, z u sammen mit den Tagebüchern, in denen unsere Ernten und unser Vieh, unsere Geburten, Eheschließungen und Todesfälle aufgezeichnet waren. Das Tagebuch, das ich in diesem Moment in Händen hielt, würde der erste Band in der ersten Niederschrift des ersten Soldatensohnes sein, der das Wappen meines Vaters trug. Wenn dieses Buch vollgeschrieben war und nach Hause gesandt wu r de, würde ich sofort mit weiteren Eintragungen im näc h sten Band beginnen. Es wurde von mir erwartet, dass ich jeden wichtigen Vorfall während meines Dienstes an König, Vaterland und Familie nach bestem

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