Nevare 01 - Die Schamanenbrücke
gewidmet, wie er es schmunzelnd nannte. Sirlofty war jetzt mein festes Reitpferd, auf dem ich täglich übte, und ich strebte danach, meine Reitkünste so lange zu üben, bis sie dieses herrlichen Hengstes würdig sein würden. Sergeant Duril machte es jetzt zu seinem He r zensanliegen, mich so zu stählen, wie es sich für einen Kavalleristen schickte, und meine Beherrschung der a n spruchsvolleren Exerzierbewegungen zu perfektionieren.
Duril war auf seinem letzten Außenposten Ausbilder für neue Rekruten gewesen und verstand sein Geschäft. Er drillte mich mit einer Präzision, bis ich das Gefühl hatte, dass ich jeden Muskel in Sirloftys Körper kannte und genau wusste, wie ich meinen Körper an den meines Pferdes anpassen musste, wenn es sich bewegte. Wir machten Sprünge, wie sie im Gefecht erforderlich waren, Ausschläge und Drehungen, Tänzelschritte wie bei der Parade und die sehr schwierigen Piaffen.
Oft ritten wir auf die weitläufige Prärie hinaus. Nun, da ich das Mannesalter erreicht hatte, sprach Duril mit mir mehr wie mit einem Gleichgestellten. Er zeigte mir die Flora und Fauna der Region, brachte mir bei, wie se i ne und meines Vaters Truppen sie sich zum Überleben zunutze gemacht hatten, und reduzierte langsam aber sicher meine mitgeführten Vorräte an Wasser und Na h rung, bis ich gelernt hatte, mehrere Tage allein mit dem auszukommen, was wir dem Land selbst abringen kon n ten. Er war ein strenger Lehrmeister, in mancherlei Hi n sicht sogar strenger noch als Dewara, aber er ging stets mit gutem Beispiel voran und überschritt niemals die Grenze von Strenge zu Misshandlung. Ich wusste, dass er Notvorräte in seinen Satteltaschen mit sich führte, aber er schränkte sich selbst genauso ein wie mich und zeigte mir durch sein eigenes Beispiel, mit wie wenig ein Mensch auskommen konnte, wenn er nur findig und ei n fallsreich genug war. Als er mich aufforderte, herausz u finden, wie man Kaktusbohrer aufspürte, zeigte er mir, wie man in den stachligen »Handflächen« der Flachhand-Kakteen nach ihren Löchern suchte, und wie man sich seinen Weg ins Herz der Kolonie schnitt, wo die fetten gelben Larven eine nahrhafte, wenn auch ziemlich eklige Mahlzeit für einen verzweifelten Soldaten liefern kon n ten. Er war der geborene Geschichtenerzähler und ein Veteran zahlreicher Feldzüge. Nicht selten malte er seine Lektionen mit selbst erlebten Ereignissen aus. Ich wünschte mir oft, meine Geschichtsbücher wären mehr wie seine Anekdoten gewesen, denn er machte die Flac h landfeldzüge zur Geschichte seines Lebens. Er verlangte nie von mir, dass ich etwas zuwege brachte, von dem er nicht zuvor bewiesen hatte, dass er selbst ebenfalls dazu in der Lage war, und aus diesem Grund war mein R e spekt vor meinem bärbeißigen Lehrer schier grenzenlos.
Gegen Ende meiner Ausbildung bei Duril, in den br ü tend heißen Tagen des Sommers, musste ich bei einem fünftägigen Ritt durch das wasserlose und gestrüppreiche Terrain des kargen Landes im Osten von Breittal zeigen, was ich konnte. Am dritten Tag nahm mir Duril meinen Hut weg und ließ mich barhäuptig in der prallen Sonne reiten. Er sagte kein Wort, bis ich schließlich anhielt und mir einen primitiven Kopfschutz anfertigte, den ich mir aus Salbeibuschzweigen flocht. Erst das zauberte ein L ä cheln auf sein zerklüftetes Gesicht. Ich fürchtete schon, er würde mich verspotten, aber er sagte stattdessen: »Gut. Du bist zu Recht zu dem Ergebnis gekommen, dass es wichtiger ist, dich vor einem Sonnenstich zu schützen, als deine Würde zu wahren. Manch ein gescheiterter O f fizier hat seine Würde über die Notwendigkeit gestellt, einen klaren Kopf zu behalten, den er gebraucht hätte, um kluge Entscheidungen für sich oder seine Truppen zu treffen. Noch schlimmer ist’s, wenn die oben ihre Tru p pen nicht das tun lassen, was sie tun müssen, um zu übe r leben. Als mahnendes Beispiel fällt mir da der Haup t mann Herken ein. Er war mit seinen Leuten draußen auf Streife, und eine Wasserstelle, auf die er sich verlassen hatte, erwies sich beim Erreichen als trockenes Loch. Seine Männer wollten ihren Durst mit ihrem Urin l ö schen. Den kann man trinken, wenn die Not groß ist und sich nichts anderes zum Trinken anbietet, oder man kann damit seine Kleidung einfeuchten, damit sie einen kühl hält. Aber Herken ließ das nicht zu. Er wolle keine Tru p pe führen, die nach Pisse stank. Deswegen nahm er den Tod eines Drittels seiner Leute in Kauf. Besser ein l
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