Never forget - das Mädchen, das sich nicht erinnern durfte
gepackt, ihre Waffe ist jetzt auf seinen Kopf gerichtet.
Wie befohlen stehe ich auf und weiche zurück. Brenner schreit erneut, als seine Hand auf dem Boden aufschlägt. Er zieht sie an seine Brust und hält sie dort schützend fest, während er sich vor und zurück wiegt. »Ich bin kein Mörder«, ächzt er. »Ich bin Informatiker.«
Eisige Klarheit erfüllt mich, als ich von dem Mann, der meinen Bruder getötet hat, zu der Frau blicke, die mich hierher gebracht hat. Ihr Gesicht ist mir zwar noch immer vertraut, aber ich weiß sicher, dass sie nicht meine Tante ist. Meine Mutter hat nur einen Bruder. Meinen Onkel Joe. Er lebt in St. Louis.
»Und wer sind Sie?«
»Ich heiße Elizabeth Tanzir«, sagt sie und streckt ihr Kinn nach oben. »Ich bin Senior-Vizepräsidentin der Marketing-Abteilung bei Z-Biotech. Quinn war der Mädchenname deiner Mutter.« Jetzt fällt mir wieder ein, wo ich sie schon mal gesehen habe. Meine Mom lieh mir ihr Auto, ich musste sie nur vorher bei der Arbeit absetzen, und dabei habe ich gesehen, wie sich Mom vor dem Gebäude mit dieser Frau unterhielt. »Wir müssen deine Eltern finden, bevor sie alles kaputt machen. Wir haben ihnen angeboten, dein Leben gegen die Informationen, die sie gestohlen haben, einzutauschen, aber sie hielten die Informationen offenbar für wichtiger – sie haben sich nicht die Mühe gemacht, zur Hütte zu kommen. Deshalb warst du von diesem Moment an nutzlos für uns.«
Ohne es zu wollen, gebe ich ein kleines Geräusch von mir. Etwas, das verrät, wie sehr mich diese Worte verletzen. Mein Bruder ist tot und meine Eltern haben mich den Mördern überlassen.
»Aber durch die Tatsache, dass du eine Art Kampfsportexpertin bist, wurde uns klar, dass du mehr wissen könntest, als du zugibst. Vielleicht sogar mehr, als du selbst zu wissen glaubst.«
Während sie redet, sehe ich aus den Augenwinkeln, wie Ty langsam sein Gewicht verlagert. Sobald ich es bemerke, hefte ich meinen Blick auf Elizabeths Gesicht, um ihn nicht zu verraten.
»Wenn du so ein Unschuldslamm wärst, wieso kannst du dann einen erwachsenen Mann außer Gefecht setzen? Unseren Chefinformatiker.« Ihre Lippen kräuseln sich verächtlich, als sie Brenner ansieht, der noch immer auf den Knien liegt und seinen gebrochenen Arm wiegt. »Da Gewalt nicht funktioniert hatte, schlug ich eine andere Herangehensweise vor. Wenn in deinem Inneren etwas dichtgemacht hatte, um deine Eltern nicht zu verraten, dann ließe es sich vielleicht wieder öffnen, wenn du glaubst, du würdest ihnen damit helfen.« Sie gibt ein schnaubendes Geräusch von sich. »Aber jetzt ist klar, dass du wirklich nichts weißt.«
Genau als diese Worte ihren Mund verlassen, greift Ty nach ihrer Pistole. Um ihn abzuwehren, fuchtelt Elizabeth wild mit den Armen herum. Innerhalb weniger Sekunden zielt die Waffe auf Ty, auf mich, sogar auf Brenner. Ty gelingt es, ihre Hand zur Decke zu richten, immer weiter und weiter, bis sich ein Schuss löst, der wie ein Donnerschlag klingt. Putz rieselt herunter. Aber Elizabeth lässt die Waffe immer noch nicht los.
Ich habe keine Zeit, den Rucksack abzusetzen und meine Waffe herauszuholen. Ich lasse den Blick durchs Zimmer schweifen, auf der Suche nach etwas, was ich ihr überziehen könnte. Auf dem Esstisch glitzert etwas. Mit zwei Schritten stehe ich dort, wo der Mann mit den ochsenblutfarbenen Schuhen meine Fesseln durchgeschnitten hat, um mich dazu zu zwingen, die tote Hand meines Bruders zu berühren. Ich schnappe mir das Gemüsemesser, das er verwendet hat, und laufe zu Elizabeth, die noch immer mit Ty kämpft. Bei der Berührung der Klinge an ihrem Hals erstarrt sie.
»Gib Ty die Waffe«, sage ich.
Für einen langen Augenblick spüre ich, wie sie abwägt, was sie jetzt tun sollte.
»Tu es besser, Tante Liz.« Ich drücke mit dem Messer um den Bruchteil eines Zentimeters stärker zu. Ihre Haut kräuselt sich, leistet Widerstand und teilt sich schließlich ein winziges bisschen. Doch erst als ein kleines Rinnsal aus Blut über ihren Hals läuft, lässt sie los.
Ty richtet die Waffe auf sie.
Mit verschränkten Armen weicht sie zurück. »Wenn du also weißt, dass ich nicht deine Tante bin, erinnerst du dich jetzt wohl wieder an alles«, sagt sie.
»Die Sache ist«, sage ich, »dass es nichts gibt, woran ich mich erinnern könnte. Meine Eltern haben mir nichts gesagt. Sie haben versucht, mich zu schützen. Das Einzige, woran ich mich erinnere, ist, wie ihr mich gefoltert habt. Und wie ihr meinen
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