Never tell a lie - Lügen können töten - Psychothriller
zerknittert und mit rostbraunen Flecken übersät.
7
Ivy hatte das Gefühl, als schwankte der Boden unter ihren Füßen, und ein metallischer Geruch, wie aus einer Suppendose, setzte sich in ihrer Nase fest. Sie versuchte, nicht zu würgen, als Officer Fournier die fleckige Bluse von seinem Kugelschreiber herabhängen ließ, damit sie sie betrachten konnten.
»Haben Sie irgendeine Vorstellung, wie das da reingekommen sein kann?«, fragte er
»Was, zum Teufel, ist das? Es hat definitiv nicht in der Truhe gelegen, als wir sie gestern an den Straßenrand gestellt haben«, beteuerte David.
»Nicht?«, fragte Officer Fournier mit ausdruckslosem Gesicht.
»Das stimmt. Ich habe sie selbst neu gepackt.« Zu Ivys Überraschung klang ihre Stimme ruhig und bestimmt. »Viele Leute sind stehen geblieben und haben hineingesehen. Jemand anderes muss die Bluse da hineingetan haben, weil wir es ganz bestimmt nicht gewesen sind.«
»Jemand anderes? Na gut.« Officer Fournier ließ die Bluse in die Truhe zurückfallen, schloss den Deckel und richtete sich auf. »Wie wäre es, wenn wir hineingingen?« Er kniff die Augen zusammen und sah erst David und dann das Haus an. »Ich habe noch ein paar Fragen, und ich würde mich gern ein bisschen umsehen, wenn es Ihnen nichts ausmacht.«
David verschränkte die Arme vor der Brust und biss die Zähne zusammen. »Es macht mir aber etwas aus. Das ist unser Heim, und wir haben nichts Unrechtes getan.«
»Wo liegt dann das Problem?« Der höfliche Ton des Polizisten hatte plötzlich eine gewisse Schärfe. »Vorausgesetzt, dass Sie nichts zu verbergen haben …«
»Und ich habe etwas gegen Ihre Unterstellungen«, erwiderte David.
»Ich verstehe. Das ist natürlich Ihr gutes Recht. Die Sache ist nur die: Entweder ich gehe jetzt mit rein und sehe mich kurz um, oder ich besorge mir einen Hausdurchsuchungsbefehl und komme mit einem Team zurück, das Ihr Haus durchsucht. Und zwar gründlich. Wenn ich mich nicht irre, wird jeder Richter mir zustimmen, dass dies hier«, mit dem Knie hob er den Truhendeckel ein wenig an und warf einen gleichgültigen Blick auf die Bluse, »zur Begründung vollkommen ausreicht.«
Was wäre wohl gewesen, fragte sich Ivy, wenn David einfach gesagt hätte: »Selbstverständlich, tun Sie sich keinen Zwang an«, oder: »Bitte kommen Sie herein«, als Officer Fournier gefragt hatte, ob er das Haus betreten dürfe? Eine Stunde später hatte sie das Gefühl, in einer surrealistischen Wiederholung des Flohmarktes mit stummgeschaltetem Ton zu stecken. Nur, dass es nicht Morgen war und dass es nicht Kauflustige waren, die sich am Ende der Einfahrt drängten und es kaum erwarten konnten, hereinzuströmen. Es waren Gaffer, die
nichts mit ihnen zu tun haben wollten, sondern nur von morbider Neugier angelockt worden waren und im blauweißen Licht der Polizeiwagen mit ruckartig aussehenden Bewegungen herumliefen.
Vorbeifahrende Autos verlangsamten ihre Fahrt. Auf der anderen Straßenseite spähten die Nachbarn aus ihren erleuchteten Fenstern. Ein Fremder mit einem Fahrrad hielt sein Handy in ihre Richtung. Versendete er ein Foto?
Ivy wurde ganz übel bei dem Gedanken, auf der falschen Seite des Bildsuchers zu stehen. Sie hatte das dringende Bedürfnis, ins Haus zu rennen und die Tür hinter sich zuzuschlagen. Aber ein uniformierter Beamter verstellte ihr den Weg.
David hatte augenblicklich seinen Freund Theo angerufen, der Rechtsanwalt war. Dieser hatte ihnen umgehend die folgenden Anweisungen gegeben: »Seid kooperativ, seid höflich, streitet euch nicht mit ihnen. Aber beantwortet keine - ich wiederhole, keine - Fragen, bevor ich bei euch bin.«
Die Menschenmenge auf der anderen Straßenseite schien mit jeder Minute größer zu werden, und jetzt sprach der Mann mit dem Fahrrad in sein Handy. Ein goldfarbener Crown Victoria fuhr vor. Die Scheinwerfer wurden ausgeschaltet, und ein Mann im dunklen Anzug stieg aus. Er kniff die Augen zusammen, drehte sich einmal um die eigene Achse und ließ den Blick über die baumbestandene Straße und die Häuser schweifen. Er redete kurz mit Officer Fournier und schlenderte dann zu Ivy und David hinüber.
Ivy achtete nicht auf die Dienstmarke, die er ihnen zeigte, und hörte kaum zu, als er sich vorstellte. Sie starrte die Papiere an, die er David hinhielt.
David fluchte und zerknüllte die Seiten in der Faust. »Ein Durchsuchungsbefehl«, stieß er hervor. »Wo, zum Teufel, bleibt Theo? Lieber Gott, sein Büro liegt doch gleich um
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