Never tell a lie - Lügen können töten - Psychothriller
stand BELCHER ST. Das war die Straße, in der Melindas Mutter gewohnt hatte, wo Melinda aufgewachsen war. Wahrscheinlich war sie zum Brush Hills Square gegangen, hatte im Lebensmittelgeschäft Bonbons gekauft und in Kezey’s Good Time Lanes, die nun geschlossen war, Bowling gespielt.
Melinda ist tot . Warum fiel es ihr so schwer, das zu akzeptieren?
Ivy berührte die Stelle an ihrem Bauch, auf die Melinda
ihre Hand gedrückt hatte. Die unerwünschte Intimität hatte Ivy zurückfahren lassen. Aber Melinda war schon immer seltsam und in ihrem sozialen Verhalten ungewöhnlich, um nicht zu sagen fast unmöglich gewesen. Ivy erinnerte sich noch, wie die anderen Schüler jedes Mal die Augen verdrehten, wenn sie sahen, dass Mrs White Melinda zur Schule brachte.
Ivy war damals Mitglied im Jahrbuchkomitee gewesen, aber es war nicht ihre Idee gewesen, Melinda für die Wahl zur freundlichsten Schülerin zu nominieren, was als grober Scherz und Denkzettel für »den Blutegel« gemeint war. Dennoch hätte Ivy etwas dagegen tun können, aber auf diese Möglichkeit war sie ganz einfach nicht gekommen. Tatsächlich hatte sie nie über Melinda und ihre Gefühle nachgedacht. Sie war genau so unreif und gemein gewesen wie ihre Klassenkameraden, nur dass sie eine passivere Rolle dabei gespielt hatte.
Und doch hatte Melinda überlebt. Sie hatte die Highschool abgeschlossen, hatte zuerst einen Job in einem Krankenhaus und dann in einem Maklerbüro gehabt. Sie hatte sich verändert. Ivy sah sie vor sich, wie sie in ihrer Einfahrt stand, die Finger um den Hals des grünen, gläsernen Schwans geschlossen. Wie sie davon redete, dass ihre Mutter für Mr Vlaskovic gearbeitet hatte und wie wichtig es für »sie beide« sei, sich gesund zu ernähren. Wie sie von Doc-Martens-Stiefeln und Steghosen schwärmte, die sie selbst nie besessen hatte.
Der Fahrer hinter ihr hupte wieder. Trottel! Ein Fußgänger auf dem Gehsteig starrte sie an. Ivy zuckte zusammen,
als ihr klarwurde, dass sie das Wort laut ausgesprochen hatte.
Einem plötzlichen Impuls folgend, bog sie in die Belcher Street ein.
Sie fuhr die stille, vage vertraute Straße entlang, die von einer langen Reihe bescheidener Bungalows gesäumt war. Die Häuser standen dicht nebeneinander, nur wenige Meter vom Bürgersteig zurückgesetzt, so dass die Silhouette jedes einzelnen Bungalows aussah wie ein Scherenschnitt des nächsten. Einer war gelb gestrichen, der nächste pfefferminzgrün, ein anderer braun mit flaschengrünen Kanten. Die meisten Vorgärten waren lieblos mit Taxus und Rhododendron-Büschen bepflanzt.
Vor keinem wuchs eine so wild wuchernde Hecke zwischen Rasen und Gehsteig, wie Ivy sie von dem Abend an Halloween in Erinnerung hatte, an dem sie in dieser Straße um Süßigkeiten gebettelt hatten. Sie sah immer noch Mrs White vor sich, wie sie in der hell erleuchteten Haustür stand und das rohe Ei ihr über das Gesicht lief. Bei der Erinnerung wurde sie von Entsetzen und Scham gepackt. Auch wenn sie kein einziges Ei geworfen hatte, so hatte sie die Eier doch mitgebracht und in der Dunkelheit in das brüllende Gelächter ihrer Freunde eingestimmt.
Vor einem grauen Haus in der Mitte des Häuserblocks verlangsamte sie ihre Fahrt. Die Haustür befand sich an der Vorderfront und sah so aus wie die, die sie in Erinnerung hatte. Neben der Tür stand die Nummer 15. Sie hatte die Seite, die Jody aus dem alten Telefonbuch
gerissen hatte, nicht aufgehoben, aber sie wusste noch, dass der Name Gereda White unter der Nummer 6 aufgeführt war - oder war es die 9 gewesen? Jedenfalls nicht 15.
Sie fuhr langsam weiter. Die Hausnummern wurden niedriger. Das Haus Nummer 9 hatte einen Seiteneingang. Das konnte es nicht sein.
Bei dem Haus auf der gegenüberliegenden Straßenseite lag der Eingang in der Mitte, und vor dem Haus befand sich eine niedrige, sauber geschnittene Hecke. Zu beiden Seiten der Haustür wucherten Taxusbüsche, die ihre Zweige wie ein dichtes Gewirr von Tentakeln kreuz und quer vor die Tür reckten. Es sah aus, als sei diese Tür seit Jahren nicht mehr geöffnet worden. Vor dem Haus stand eine Mülltonne, auf die mit weißer Farbe die Zahl 6 gemalt war.
Ivy ließ den Wagen vorbeirollen und blieb vor dem nächsten Haus stehen. Sie stellte den Seitenspiegel ein.
An das Haus Nr. 6 war ein kleiner Raum angebaut, der wie eine winterfest gemachte Sonnenterrasse aussah. Jody hatte erzählt, dass Melindas Schlafzimmer ein solcher Raum gewesen war.
Ivy umklammerte das Lenkrad,
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