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Nevermore

Nevermore

Titel: Nevermore Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kelly Creagh
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Tonfall triefte nur so vor Sarkasmus und Isobel musste nicht groß raten, wen er meinte.
    »So was würde er nicht tun.«
    »Es gibt anscheinend einiges, von dem du annimmst, dass er so was nicht tun würde.«
    Sie schwieg.
    »Du hast also überhaupt nicht gesehen, wer es war?«
    »Nein, das ist es ja gerade -«
    »Warte kurz«, unterbrach Varen sie.
    Isobel lauschte. Sie konnte seine Schritte hören und wie sich eine Tür öffnete. Dann sprach eine Männerstimme.
    »Varen, es ist neun. Keine Telefongespräche nach neun. Das weißt du doch.«
    Äh, wie bitte? Er hatte eine Telefonsperrstunde? Wie schrecklich!
    »Wer ist das? Mit wem sprichst du da?«, fragte die Stimme.
    Isobel hörte, wie Varen irgendeine Antwort murmelte, aber sie konnte nicht verstehen, was er sagte. Es klang so, als ob der Hörer abgedeckt wurde.
    »Okay, Zeit, sich zu verabschieden«, sagte die Männerstimme. »Sag demjenigen, dass ihr euch morgen weiter unterhaltet.«
    Isobel hörte wieder Schritte, dann kehrte Varens Stimme zurück.
    »Ich muss auflegen«, sagte er.
    »Okay….Ähm, dann sehe ich dich morgen in der Schule?« Stille.
    »Hallo?«
    »Ja«, sagte er. »Klar.«
     

 
    Beobachtet
     
    Isobel saß am Küchentisch, starrte hinunter auf die Frühstücksflocken, die in ihrer Müslischale herumschwammen, und fühlte sich wie ein vor Tagen totgefahrenes Tier: durchnässt, ausgelaugt und geplättet. Sie hatte Gliederschmerzen und eine verstopfte Nase; so als hätten kleine Zauberhäschen sie irgendwann in den vier Stunden, die sie geschlafen hatte, besucht und ihren Kopf mit nasser Watte vollgestopft. Jedes Geräusch - das Klappern von Geschirr in der Spüle, Schritte auf dem Flur, das Rascheln der Zeitung ihres Vaters - klang, als würde es von irgendwo tief unter der Erde kommen.
    Sie blickte kauend vom Tisch auf, den Flur hinunter, wo Dannys Rucksack neben dem Schirmständer lag. Isobel versuchte sich zu erinnern, was sie mit ihrem eigenen gemacht hatte. Plötzlich fiel es ihr wieder ein.
    Sie ließ ihren Löffel fallen - er plumpste mit einem lauten Scheppern in ihre Schüssel - und sprang von ihrem Stuhl auf.
    »Isobel?« Ihr Vater sah sie vom anderen Ende des Tischs fragend an. Doch statt einer Erklärung raste sie den Flur hinunter und stürzte zur Haustür hinaus.
    Kalte Morgenluft schlug ihr entgegen, Feuchtigkeit flutete in ihre Lunge und erweckte all die Schmerzen vom gestrigen Abend wieder zum Leben. Isobel zwang sich weiterzugehen, trotz des heftigen Brennens, das aus ihren Knochen in ihre Muskeln sickerte. Nasses Gras schlug gegen den Saum ihrer Jeans. Bitte sei in Ordnung. Bitte sei bloß in Ordnung!
    Da, auf dem Rasen - er war noch da. Gott sei Dank!
    Isobel rannte zu ihrem Rucksack und kniete sich neben ihn. Er war mit Tau überzogen und das Nylon war sehr feucht, aber nicht vollkommen durchnässt. Mit fiebrigen, fahrigen Fingern Isobel den Reißverschluss auf. Sie bekam Die Gesammelten Werke von Edgar Allan Poe zu fassen, zog das Buch vorsichtig heraus, drehte und wendete es und tastete den Buchdeckel ab. Sie inspizierte die Seiten. Es fühlte sich trocken an. Es fühlte sich ganz an. Erleichtert atmete sie auf.
    Mit einem Ruck zog sie den Reißverschluss wieder zu. Vorne auf dem Rucksack, direkt unter ihren aufgestickten Initialen, bemerkte sie eine glitzernde Pampe. Isobel kniff die Augen zusammen und folgte der Glitzerspur, die nach oben zum Schlüsselbundhalter, zu ihrer herzförmigen Uhr führte.
    »Oh nein.« Das Glas über dem Zifferblatt war zerbrochen und von innen quoll pinkfarbener Glitzer heraus, wie die Innereien einer Fee. Die Uhr musste zerbrochen sein, als sie gestern Abend ihren Rucksack auf den Boden geworfen hatte; das Gewicht des Buchs musste sie zerquetscht haben.
    Isobel löste die Uhr von ihrem Haken und nahm sie in die Hand. Dann stand sie auf, zog sich den Rucksack über die Schulter und starrte auf das kaputte Schmuckstück in ihrer Handfläche. Langsam ging sie zurück ins Haus, lud ihren Rucksack im Flur ab, ging weiter in die Küche und ließ sich auf ihren Stuhl fallen.
    »Was hast du denn da?«, fragte ihr Vater, ohne von seiner Zeitung aufzusehen.
    »Meine Uhr. Sie ist kaputt.«
    »Oh«, sagte er, »das tut mir leid, Schatz.«
    »Ja«, murmelte Isobel und legte die Uhr auf ihr Tischset Sie nahm ihren Löffel und rührte damit in ihren Cornflakes herum.
    »Na ja«, sagte Danny grinsend - von seinem Löffel platschte die Hälfte zurück in seine Müslischale -, »jetzt weißt du zumindest

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