Nevermore
konzentrierte sich, so fest sie konnte, und versuchte sich vorzustellen, dass er hier, direkt neben ihr, lag.
Irgendwo unten hörte sie das Telefon klingeln und Danny rief: »Ich geh schon!«
Isobel öffnete die Augen, wälzte sich auf den Rücken und lauschte angestrengt, um herauszufinden, ob der Anruf für sie war. Obwohl sie wusste, dass sie ihn nicht würde annehmen dürfen. Sie hörte die Stimme ihres Bruders nach oben dringen: »Hi, Trevor.«
Sie drehte sich auf die Seite und starrte aus dem Fenster. Ihre Gedanken schweiften zurück zu Varen und sie versuchte, die schweren Schritte ihres Bruders auf der Treppe zu ignorieren und seine Stimme, als er laut ins Telefon sagte: »Ja, es ist oben, ich hole es schnell und schaue nach.«
Jetzt sah sie Varen vor ihrem geistigen Auge, genau dort, wo er in ihrem Traum gewesen war. Eine weit entfernte Gestalt, hochgewachsen, sturmumtost und umgeben von einem Wald aus streichholzartigen Bäumen. Sie wollte ihre Augen gerade wieder schließen, als sie ein leises Klopfen an der Tür hörte. Sie setzte sich auf. »Was ist?«
»Isobel«, flüsterte Danny durch den Spalt unter ihrer Zimmertür.
»Was willst du?«
»Mach auf«, sagte er. »Es ist für dich.« Dann sprach er wieder lauter und sie hörte ihn sagen: »Ja, ich habe die ganze Codeliste hier. Welchen willst du zuerst?«
Isobel stolperte aus dem Bett und zur Tür. Sie öffnete sie einen Spalt weit und sah ihren Bruder davorstehen, der ihr das tragbare Telefon hinstreckte. Verblüfft nahm sie es entgegen.
»Mach schnell!«, flüsterte er, beugte sich über das Geländer und sagte: »Okay, also der erste ist für Blood Thirst Traitor Teil drei und damit kann man den Countdown in Level sieben anhalten. Bist du so weit? Okay: zwei, zwei, neun, null…«
Rasch zog Isobel sich in ihr Zimmer zurück und hielt den Hörer ans Ohr. »Hallo?«
»Okay, ein Rad abzuhaben, liegt bei euch also in der Familie, habe ich recht?«
»Gwen!« Isobel atmete stoßartig aus und sank auf dem Teppich in die Knie.
»Was denn?«, fragte Gwen. »Was ist los?«
Draußen vor ihrer Tür konnte Isobel Danny hören, wie er weiter fiktive Codes herunterleierte. Sie wusste, dass es unter Garantie einen Haken an Dannys unerwarteter Hilfestellung gab, aber für den Moment war sie ihm einfach nur dankbar.
»Varen war hier«, flüsterte Isobel und erzählte Gwen die Kurzversion von allem, was passiert war, von der Heimfahrt bis zur atomaren Explosion ihres Vaters.
»Im Ernst?«, rief Gwen und unterbrach Isobel, bevor sie fertig war. Dann sagte sie, so als hätte sie kein Wort über den Streit gehört: »Er hat dich zu The Grim Facade eingeladen? Heiliger Strohsack. Hast du überhaupt eine Ahnung, was das für eine große Sache ist?«
»Gwen, hörst du mir überhaupt zu? Hast du nicht gehört, dass mein Vater mir gerade für den Rest meines Lebens Hausarrest gegeben hat?«
»Machst du Witze?«, quietschte Gwen. »Ooohhh, und wie du da hingehst. Das musst du dir ansehen! Ich bin nur ein einziges Mal da gewesen, aber das war der absolute Wahnsinn! Das war, glaube ich, vorletztes Jahr und ich bin mit Mikey hingegangen -dieser Punk-Typ mit den stacheligen Haaren. Weißt du, wen ich meine? Er hat mich eingeladen. Und ich wette, ich kann ihn dazu kriegen, mich noch mal mitzunehmen. Falls er nicht schon mit jemand anderem hingeht.«
»Gwen, hallo.« Isobel klopfte mit dem Finger gegen den Hörer. »Du hörst mir nicht zu. Ich kann da nicht hingehen. Ich hab Varen auch schon gesagt, dass ich nicht kann.«
»Weißt du schon, was du anziehst?«
Isobel schloss die Augen. Kopfschmerzen breiteten sich in ihrer Stirn aus. Sie rieb mit der Hand darüber. »Hör mal«, sagte sie zu Gwen, »es ist so gut wie sicher: Ich werde, abgesehen von der Schule, das Haus nicht mehr verlassen dürfen. Und das mindestens bis Neujahr. Ich werde da also nicht hingehen können, Gwen. Ende der Diskussion. Ich muss nur irgendeine Möglichkeit finden, mich diese Woche mit Varen zu treffen, damit wir das Projekt zu Ende bringen können. Kannst du mir dabei helfen? Bitte? Außerdem ist am Freitag sowieso das Derby. Das heißt, wenn ich vorher nicht wieder aus dem Team fliege.«
»Werden deine Eltern da sein?«, fragte Gwen. Ein listiger Unterton schwang in ihrer Stimme.
»Bei dem Spiel?«
»Nein, bei deiner Konfirmation - natürlich bei dem Spiel!«
»Nach allem, was heute Abend passiert ist? Machst du Witze? Mein Vater wird sich wahrscheinlich in die erste Reihe setzen
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