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Neville, Katherine - Der magische Zirkel

Titel: Neville, Katherine - Der magische Zirkel Kostenlos Bücher Online Lesen
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sollte, daß die Manuskripte hier versteckt lagen, wäre die Suche danach eine Sisyphusarbeit. Vor dem Plakat am Eingang der Bibliothek, auf dem die Museumsbestände in Zahlen angegeben waren, hatte ich kurz gerechnet und war zu dem Ergebnis gekommen, daß hier insgesamt rund vier Millionen Bücher, Folianten, Handschriften, Landkarten, Zeitschriften und Inkunabeln aufbewahrt wurden. Dies und die Tatsache, daß die Bestände nicht öffentlich zugänglich waren, beruhigte mich einigermaßen.

Zehn Minuten lang füllten wir Karten aus für Dutzende von Titeln, die uns anschließend von den Bibliotheksdienern gebracht wurden. Als wir allein waren, legte ich meine Textseiten in Bücher, die ich aus den Regalen in diesem Raum genommen hatte. Als weitere Vorsichtsmaßnahme schlug ich vor, alle Bestellkarten zu vernichten, sobald wir hier fertig waren, und keine Liste aufzustellen.
    «Aber wie wollen wir sie wiederfinden?» protestierte Wolfgang. «Um zwischen so vielen Büchern tausend Seiten zu finden – dazu brauchten Dutzende von Leuten mehrere Jahre!»
    «Genau darauf zähle ich», sagte ich.
    Ich hielt es nicht für wichtig, auf mein fotografisches Gedächtnis hinzuweisen, aber ich konnte mir eine Liste mit fünfhundert Posten – also auch Autor und Titel eines jeden Buchs, in dem wir Seiten versteckt hatten – ungefähr ein Vierteljahr lang merken. Wenn ich innerhalb dieser Zeit nicht zurückkommen könnte, würde ich mir die Liste aufschreiben, sie auswendig lernen und wieder vernichten.
    Dringender war die Sache mit Dacian. Er würde nach Paris zurückfliegen, und wahrscheinlich würden wir uns nach diesem Zusammensein in der Bibliothek eine ganze Weile nicht mehr sehen. Dabei wollte ich noch so vieles von ihm wissen. Ich mußte also gleichzeitig mit Dacian sprechen und mir die Liste der Bücher einprägen. Ich setzte mich neben ihn ans Fenster. Wolfgang blieb a n der Tür, um die Bücherlieferungen in Empfang zu nehmen. Er schob jeden Stapel vor mich hin und achtete darauf, daß unser Gespräch nicht belauscht wurde. Während ich gefaltete Manuskriptseiten zwischen Buchseiten legte, bat ich Dacian fortzufahren.
    «Ich versuche, beide Fragen zu beantworten», begann er, «Wolfgangs Frage nach den dreizehn heiligen Gegenständen und Ariels Frage nach der Bedeutung von Pandoras Papieren, die in ihren Besitz gelangt sind. Beide führen zurück zu einem abgelegenen Teil der Welt, der heute wenig besucht und kaum verstanden wird. Früher einmal erfreute sich diese Gegend der höchsten Kultur. Aber jetzt liegt ihre Vergangenheit unter dem Staub von Jahrhunderten. Dieses Gebiet war von den großen Mächten ständig umkämpft, und noch heute sind seine Grenzen umstritten. Aber einige haben inzwischen erfahren müssen, daß dieses Land so wild und geheimnisvoll ist, daß seine Menschen, wie der wilde Panther, nie gezähmt werden können.»
    Er sah mich mit seinen smaragdgrünen Augen an. «Ich spreche von einem Ort, wo ihr beide, soviel ich verstanden habe, auf eurer Reise nach Rußland Ermittlungen anstellen werdet. Unser heutiges Zusammentreffen ist wirklich sehr nützlich. Ich bin einer der wenigen, die über die Geschichte dieses Gebiets etwas sagen können und, was noch wichtiger ist, über die tiefere Bedeutung, die in dieser Geschichte verborgen ist – denn ich wurde dort vor fast einem Jahrhundert geboren.»
    «Du wurdest in Zentralasien geboren?» sagte ich überrascht. «Ja. Und Sanskrit war einst die Sprache dieser Region – das
    ist ein wichtiger Schlüsselfaktor. Ich will euch ein bißchen über meine Heimat aufklären.»
    Dacian nahm aus seiner Tasche eine Rolle, die mit einem Sämischlederbändchen zugebunden war. Er löste das Band und reichte mir die Rolle – ein Stück zusammengerolltes Leder, das so dünn und brüchig wirkte, daß ich zögerte, es zu berühren. Daraufhin breitete es Dacian auf dem Tisch aus. Wolfgang trat interessiert näher.
    Es war eine alte, sorgfältig gezeichnete und kolorierte Landkarte, in der jedoch Grenzlinien fehlten. Die Karte, die ich an diesem Vormittag bei der IAEA studiert hatte, zeigte ziemlich dasselbe Terrain, so daß mir diese Topographie auch ohne Bezeichnungen vertraut war: Die großen Binnengewässer waren der Aralsee und das Kaspische Meer, die Flüsse Oxus und Indus; die Gebirgszüge der Hindukusch, das Hochland von Pamir und die beiden Himalayas. Die getüpfelten Linien bedeuteten vielleicht wichtige Reiserouten. Einige geographische Besonderheiten wie der

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