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Neville, Katherine - Der magische Zirkel

Titel: Neville, Katherine - Der magische Zirkel Kostenlos Bücher Online Lesen
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Haut eines jungen Athleten. Seine Hände waren so kräftig, daß er einen frisch gepflückten Apfel mit jedem beliebigen Finger seiner Hände durchbohren konnte. Es wurde sogar behauptet, daß er während seiner Zeit als Soldat in Germanien auf diese Weise Männer getötet hatte. Er war in der Tat ein großartiger Soldat gewesen und auch ein ausgezeichneter Staatsmann – zumindest am Anfang.
    Aber diese Zeiten waren vorbei. Die Vorzeichen hatten sich zu seinen Ungunsten verändert. Er konnte nie wieder nach Rom zurückkehren. Ein Jahr vor der Sejanus-Affäre war Tiberius auf dem Weg nach Rom den Tiber hinaufgefahren, aber seine kleine Schlange Claudia, die er immer an seiner Brust trug und mit eigener Hand fütterte, war eines Morgens an Deck tot aufgefunden worden, halb aufgefressen von Ameisen. Und die Omina sagten: «Hüte dich vor dem Pöbel.»
    Nun stand er jede Nacht auf dieser hohen Klippe, einem geschichtsträchtigen und geheimnisumwitterten Ort, der Capri genannt wurde, was nichts anderes hieß als Ziege. Einige meinten, die Insel hieße so wegen Pan, der halb Mensch, halb Geißbock war und den Hermes mit einer Wassernymphe gezeugt hatte. Andere glaubten, die Insel sei nach dem Sternbild des Steinbocks benannt, der wie ein Fisch aus dem Meer gesprungen sei.
    Obwohl Tiberius Staats- und Sakralrechtler, Soldat, Staatsmann und Kaiser war, galt seine Liebe – und dann glich er seinem Neffen Claudius – der Geschichte, insbesondere der Geschichte der Götter, die in diesen modernen Zeiten von den meisten für Mythen gehalten wurden. Am liebsten waren ihm die Sagen der Griechen.
    Und nun, nach all den Jahren des Exils auf diesem Steinhaufen, in denen ihm fast nur von Tragödien und Verrat berichtet worden war, tauchte plötzlich am äußeren Ende des Römischen Reichs ein neuer Mythos auf. Es war im Grunde keine neue Geschichte, das wußte Tiberius, sondern eher eine sehr alte. Vielleicht war es der älteste Mythos der Welt, der in jeder Zivilisation vorkam, seit Geschichte überliefert wurde. Es war der Mythos des «sterblichen Gottes», eines Gottes, der das höchste Opfer bringt, indem er Mensch wird, und der durch die Hingabe seines Lebens die Zerstörung einer alten Ordnung und durch seine Wiedergeburt eine neue Weltordnung herbeiführt – einen neuen Äon.
    Während Tiberius in der Dunkelheit auf der Terrasse am Rand der Klippe stand und dem Rauschen der Wellen lauschte, die unten gegen die Felsen schlugen, blickte er hinüber zu der matt leuchtenden Silhouette des Vesuvs, wo seit undenklichen Zeiten die heiße Lava brodelte und kochte, der aber, so sagte man jedenfalls, stets nur einmal am Ende eines Äons ausbrach.
    Aber standen sie denn jetzt nicht an der Schwelle zu einem neuen Zeitalter? War dies nicht der neue Äon, den die Astrologen erwartet hatten? Tiberius fragte sich, ob er es noch erleben würde, wenn sich die entfesselte Kraft des Vulkangotts aus dem Bauch der Erde entlud. Es würde bald geschehen – und dann würde es das einzige Mal sein zwischen dem vergangenen und dem künftigen Äon von je zweitausend Jahren.
    Plötzlich sah er in der Nähe des Festlands ein Ruder aufblitzen. Vermutlich war es das Schiff, nach dem er schon die halbe Nacht ausschaute und das ihm mit dem heraufdämmernden Morgen den Zeugen bringen würde, der beim Tod des Gottes zugegen gewesen war.
    Er war groß und schlank, hatte eine olivfarbene Haut, mandelförmige Augen und rabenschwarzes Haar, das ihm glatt und glänzend auf die Schultern fiel. Er trug eine weiße Leinentunika, die mit einem Strick lose zusammengehalten wurde, und die für die Leute aus dem Süden üblichen bronzenen Armbänder. Tiberius saß auf einem auf der Terrasse errichteten Marmorthron und blickte auf das Meer hinaus. Der Mann, der in Begleitung der kaiserlichen Wache sowie des Kapitäns und der Mannschaft, die ihn auf die Insel gebracht hatten, die Terrasse überquerte und sich vor Tiberius auf ein Knie niederließ, hatte sichtlich Angst – aber er wirkte dennoch stolz.
    «Dein Name ist Tammuz. Du bist Ägypter», sagte der Kaiser und gebot ihm aufzustehen. «Trotzdem sollst du der Steuermann auf einem Handelsschiff sein, das zwischen Judäa und Rom fährt.» Als der Mann schwieg, fügte Tiberius hinzu: «Du magst sprechen.»
    «Es ist so, wie du sagst, Kaiser», antwortete Tammuz. «Mein Herr besitzt eine Handelsflotte. Ich bin der Steuermann auf einem Schiff, das nicht nur Fracht befö rdert, sondern auch Passagiere.»
    «Erzähle mir,

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