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Neville, Katherine - Der magische Zirkel

Titel: Neville, Katherine - Der magische Zirkel Kostenlos Bücher Online Lesen
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Bedeutung war – und beim Gedanken daran verkrampfte sich sein Herz.
    Dieser Schmerz rührte aus der Zeit, als er zu dem von Herodes dem Großen errichteten Palast nach Machairus östlich des Toten Meers gereist war, um seinen Geburtstag zu feiern. Herodias und ihre schöne Tochter Salome waren mitgekommen, und Salome hatte ihm zu Ehren getanzt. Aber Herodias hatte natürlich auch gewußt, daß der Mann, der sie geschmäht hatte, im Kerker der Festung Machairus gefangengehalten wurde. Nachdem Salome ganz reizend getanzt hatte, bat sie, sich etwas wünschen zu dürfen.
    Die schreckliche Szene verfolgte Antipas noch immer in seinen Träumen. Auch jetzt noch, nach so vielen Jahren, wurde ihm übel, wenn er daran dachte. Der Tod dieses Mannes hatte nicht genügt, um Herodias Wut zu besänftigen. Sie befahl, den abgetrennten Kopf ihres Opfers in den großen Saal bringen zu lassen, wo sie zu Tische saßen – angerichtet wie ein Eberkopf auf einer Platte. Er war entsetzt und ihm graute, aber es spielte noch Tieferes, Verborgenes in dieser Szene eine Rolle – etwas, worüber Antipas in all diesen Jahren nie gesprochen hatte, obwohl er oft daran dachte. Es war die Platte, auf der der Kopf lag.
    Antipas kannte diese Platte seit seiner Kindheit. Man hatte sie unter dem Tempelberg ausgegraben während des acht Jahre dauernden, kostspieligen Wiederaufbaus des Tempels durch seinen Vater Herodes. Man glaubte, die Platte gehörte zu König Salomos Schatz, der bei der Zerstörung des Tempels möglicherweise in Eile vergraben worden war. Aber sein Vater Herodes hatte immer gescherzt – Antipas überlief es kalt, wenn er daran dachte – und gesagt, in Wirklichkeit sei die Platte der Schild gewesen, mit dem Perseus die schlangenköpfige Medusa in Stein verwandelt hatte.
    Dieses altehrwürdige Gerät war in Antipas Vorstellung nun für immer mit dem abgetrennten Haupt des Mannes verbunden, der Herodias zum Opfer gefallen war – mit jenem ausgezehrten, ekstatischen Gesicht, den offenen Augen, dem bluttriefenden Haar.
    Er fragte sich, wie Caligula von der goldenen Platte erfahren hatte und warum dieser Bengel, der sich seit neuestem für einen Gott hie lt, die Platte als Teil der Tributzahlung verlangte.
    ANTIOCHIA IN SYRIEN

    Passah, A.D.42

    Briefe der Apostel

    An: Maria Markus
    zu Jerusalem, Judäa
    Von: Johannes Markus
    zu Antiochia, Syrien

    Verehrte und geliebte Mutter! Was soll ich sagen? In diesem Jahr hat sich hier in unserer Kirche von Antiochia so viel verändert, daß ich kaum weiß, wo ich beginnen soll. Diese Woche feiern wir bereits das zehnte Passahfest nach dem Tod des Meisters – eine beinahe unvorstellbare, aber auch erschreckende Tatsache. Obwohl ich damals sehr jung war, erinnere ich mich noch so deutlich an den Meister und seine ständigen Besuche bei uns. Besonders lebhaft ist mir jenes letzte Abendessen in Erinnerung, das er und seine Jünger in unserem Haus einnahmen.
    Ich war so stolz, daß er mich ausgewählt hatte, mit dem Krug zum Brunnen zu laufen, damit mir die Jünger zu ihrem Treffpunkt folgen konnten. Und es ist diese Erinnerung, die mich bewegt hat, Dir heute zu schreiben.
    Onkel Barnabas – der mich bittet, Dir wie immer seine herzlichsten brüderlichen Grüße zu übermitteln – sagt, ich würde im kommenden Sommer, wenn ich einundzwanzig sein werde, genügend Kenntnisse über das Werk des Meisters erworben haben – auch mein Latein und Griechisch würden bis dahin gut genug sein –, um ihn in offiziellem Auftrag zu den Heiden zu begleiten. Das ist natürlich großartig, und ich weiß, Du wirst stolz sein, daß ich es in unserer zweiten größeren Kirche außerhalb von Jerusalem so weit gebracht habe. Aber es gibt etwas, das mir die Freude darüber verdirbt. Ich brauche Deinen Rat. Bitte, erzähle dies niemandem, auch nicht Deinen engsten Freunden wie Simon Petrus. Warum ich Dich darum bitte, wirst Du bald verstehen.
    Es gibt da einen Mann, der auf die ausdrückliche Bitte von Onkel Barnabas nach Antiochia gekommen ist, um in unserer Kirche zu arbeiten. Er ist ein Diasporajude aus Silizien. Als junger Mann studierte er bei Rabbi Gamaliel im Tempel von Jerusalem, so daß Du ihn möglicherweise kennst. Er heißt Saul von Tarsus, nennt sich aber jetzt Paulus – und, Mutter, er ist das Problem.
    Er ist überzeugt, er habe einen persönlichen Ruf des Meisters erhalten, und dieser Ruf habe ihm – und nur ihm allein – besondere Einsicht gewährt. Deshalb ging er nach Jerusalem zu Jakobus, dem

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