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Neville, Katherine - Der magische Zirkel

Titel: Neville, Katherine - Der magische Zirkel Kostenlos Bücher Online Lesen
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glänzten im gelblichen Licht der persischen Ampeln; dicke Teppiche von der ionischen Küste und bunte Behänge aus Nordafrika schmückten Boden und Wände. Riesige Tee-Samowars und Krüge voll schäumenden Weins standen bereit.
    Obwohl viele der zwölf Jünger erfolgreiche Geschäftsleute waren – Matthäus war Steuereinnehmer, Simon und Andreas und die Brüder Zebedäus hatten ihre eigene Fischfangflotte – , waren sie dennoch verblüfft über diesen ungewöhnlichen Luxus, der ihnen beinahe römisch-dekadent erschien. Sie standen verlegen herum und waren zu schüchtern, um sich Wein einzuschenken, bis endlich der Meister eintraf.
    Er wirkte irgendwie geistesabwesend. Er bat die anderen, sich zu setzen, blieb selbst aber stehen und ging neben der Tür auf und ab, als würde er auf etwas warten. Die Diener brachten Schüsseln mit Wasser und Handtücher. Als sie gegangen waren, nahm der Meister wortlos eine Schüssel und stellte sie auf einen Tisch. Dann legte er alle seine Kleider ab, wickelte sich ein Handtuch um die Hüfte und vor Judas niederkniend begann er, ihm die Füße zu waschen. Die anderen fanden es peinlich, und sie erschraken zutiefst, als sie sahen, daß er beabsichtigte, das bei jedem von ihnen zu tun. Einem nach dem anderen wusch er die Füße und trocknete sie mit einem Handtuch ab, während sie unbehaglich zusahen. Doch als der Meister zu Simon Petrus kam, sprang dieser auf und rief:
    «Nein! Niemals! Du sollst meine Füße nicht waschen!» «Dann haben wir anscheinend nichts gemeinsam», erklärte
    ihm der Meister ruhig, aber ohne zu lächeln. «Wenn ihr alle glaubt, daß ich euer Meister bin, solltet ihr meinem Beispiel folgen. Ich hoffe, ihr werdet das gleiche tun, wenn ich nicht mehr hiersein werde, um euch zu zeigen, was Liebe ist. Petrus, wer nichts lernen will und sich selbst für größer hält als der Eine, der ihn gesandt hat, ist ein hochmütiger Diener. Wenn ich gegangen bin, werden meine Anhänger hoffentlich daran zu erkennen sein, daß sie einander dienen und die Menschen lieben.»
    «Dann wasche mich, Meister!» rief Petrus leidenschaftlich und setzte sich schnell wieder hin. «Nicht nur die Füße wasch mir auch die Hände und den Kopf – »
    Der Meister lachte. «Nur was unrein ist», sagte er, und mit einem rätselhaften Lächeln an Judas gewandt fügte er hinzu: «Das meiste, was ich hier sehe, ist rein – aber nicht alles.» Diese Bemerkung wurde später von vielen als ein Hinweis auf das «schmutzige» Geld gedeutet, das Judas als Lohn für seinen Verrat genommen hatte.
    Als der Meister sein Leinengewand wieder angelegt hatte, ließ er sich auf dem Diwan zwischen Simon Petrus und dem jungen Johannes Zebedäus nieder, den er liebevoll parthenos, das Jungfräulein, nannte wegen seiner kindlichen Unschuld und Ausgelassenheit. Der Meister sprach fast während der ganzen Mahlzeit mit großer Eindringlichkeit. Er trank nur etwas Wein, wie es das Ritual verlangte, und kostete von den traditionellen symbolischen Speisen.
    Er schien hauptsächlich über die Geschichte des Passahfestes und den Auszug unseres Volkes aus Ägypten zu sprechen, wie es die Tradition vorschreibt. Aber trotz seines Interesses am rabbinischen Gesetz hatten die Anwesenden das Gefühl, daß er eine ungewöhnliche Betonung auf Essen und Trinken in Verbindung mit diesem rituellen Mahl legte, mehr noch auf die Dinge, die Gott verboten hat. Im folgenden ist zu lesen, was der Meister sagte:

    Der Sauerteig

    Dies sind die Dinge, mit denen ein Mann am Passahfest seine Pflicht erfüllt: Gerste, Weizen, Dinkel, Roggen und Hafer.
    P ESACHIM 2; M ISCHNA 5

    Anders als heute wurden früher die zwei Feiertage, die wir Pesach und Massot nennen – das Passahfest und das Fest des ungesäuerten Brots – , getrennt gefeiert. Das Fest des ungesäuerten Brots war das ältere traditionelle Fest, das auf Abraham und Noah zurückgeht. Es wurde erst später Teil des Passah-Rituals, das an die Flucht unseres Volkes aus Ägypten erinnert.
    Das erste Passah-Mahl wurde hastig verzehrt, denn unser Volk bereitete sich auf die Flucht vor. Auf unsere Türen waren wie befohlen mit Schafblut tau- Symbole gemalt, damit der Herr vorübergehe und die Erstgeborenen der Ägypter schlage, nicht aber die der unsrigen. Und ebenfalls wie befohlen war in der Zeit vor der Flucht kein Sauerteig erlaubt.
    Das Gesetz bezieht sich auf fünf Getreidearten: Gerste, Weizen, Dinkel, Roggen und Hafer. Wenn das Mehl dieser Getreide für längere Zeit mit Wasser

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